Hamburg. 1938 legte eine Kinderärztin ihre Doktorarbeit über Diphtherie vor. Aber die Rassegesetze der Nazis verhinderten die Prüfung – ihre Mutter war Jüdin.

77 Jahre nach ihrer schriftlichen Promotion erhält am Dienstag eine Kinderärztin ihren Doktortitel am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Die heute 102 Jahre alte Ingeborg Syllm-Rapoport war im Jahr 1938 nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen worden. Der Grund: Ihre Mutter, die Pianistin Maria Syllm, war Jüdin. Damit fiel die damals 25 Jahre alte Doktorandin unter die "Rassengesetze" der Nazis.

Jüdische Mutter – Nazis lehnten Doktorarbeit ab

Syllm-Rapoport hatte als Assistenzärztin am Israelitischen Krankenhaus Hamburg gearbeitet und in der Zeit ihre Doktorarbeit zum Thema Diphtherie geschrieben. Ihr Doktorvater Rudolf Degkwitz bescheinigte ihr 1938, "dass diese Arbeit von mir als Doktorarbeit angenommen worden wäre, wenn nicht die geltenden Gesetze wegen der Abstammung des Frl. Syllm die Zulassung zur Promotion unmöglich machten".

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Sie emigrierte in die USA und setzte dort ihre Karriere als Kinderärztin fort. In Amerika lernte sie auch ihren späteren Mann kennen, den Mediziner und Biochemiker Samuel Mitja Rapoport (1912-2004). Beide engagierten sich in der Kommunistischen Partei, was sie Anfang der 1950er Jahre in den USA in Schwierigkeiten brachte. Sie gingen schließlich nach Ost-Berlin. Syllm-Rapoport wurde eine hochdekorierte Professorin für Neugeborenenheilkunde an der Charité.

102-Jährige besteht mündliche Prüfung "mit Brillanz"

Als der Dekan der Medizinischen Fakultät am UKE, Prof. Uwe Koch-Gromus, von ihrem Schicksal erfuhr, leitete er eine nachträgliche mündliche Prüfung in die Wege. Diese bestand die 102-Jährige im Mai mit Brillanz, wie er anschließend sagte. Nun soll ihr feierlich die Promotionsurkunde überreicht werden. Sie dürfte die älteste Doktorandin der Welt sein. (dpa)