Darmstadt. . Im Prozess um den Tod der Studentin Tugce A. berichteten Zeuginnen von “üblen Beleidigungen“ durch den Angeklagten. Sein Freund hat es anders erlebt.

Zwei Freundeskreise, zwei Versionen: Über den gewaltsamen Tod von Tugce A. haben Zeugen vor dem Landgericht Darmstadt am Montag gegenteilige Aussagen gemacht - und die Schuld für den verhängnisvollen Schlag ins Gesicht der Studentin der jeweils anderen Seite gegeben.

Der Angeklagte Sanel M. und seine Freunde hätten in der Tatnacht im November vergangenen Jahres bereits in der Toilette eines Schnellrestaurants in Offenbach Tugce und ihre Freundinnen angepöbelt, sagte eine 21-Jährige. "Es wurden üble Beleidigungen ausgesprochen. Ich habe so etwas noch nie gehört." Als Sanel M. von der Toilette kam, habe der 18-Jährige "sehr gereizt" ausgesehen, schilderte eine andere, ebenfalls 21 Jahre alte Freundin.

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Ein Freund des Angeklagten meinte hingegen, die 22-Jährige habe ihren gewaltsamen Tod selbst ausgelöst. Der 18-Jährige habe erzählt, ihm sei wegen massiver Pöbeleien die Sicherung durchgebrannt, sagte der 19 Jahre alte Zeuge. In der Toilette habe es überhaupt keinen Streit gegeben. "Das war eher eine lockere Stimmung."

Angeklagter Sanel M. hat Schlag eingeräumt

Der Vorsitzende Richter Jens Aßling ließ erkennen, dass er an der Aussage des jungen Mannes Zweifel habe. Ein weiterer Zeuge aus der Gruppe um den Angeklagten verstrickte sich in Widersprüche. "Das stimmt weder vorne noch hinten", meinte Aßling zu den Aussagen.

Bei diesem dritten Verhandlungstag wurden zunächst die Freundinnen von Tugce A. gehört. Eine 23-Jährige erklärte, die Gruppe der Studentin sei "mit Beleidigungen regelrecht bombardiert worden". Auch Tugce A. und ihre Clique hätten den Angeklagten und seine Gruppe beleidigt, aber erst nach einiger Zeit und nachdem sich die Pöbeleien gegen die eigenen Eltern gerichtet hätten.

Sanel M. ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Er hatte zum Prozessauftakt den Schlag gegen Tugce A.eingeräumt und Reue gezeigt. Wenn er nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, drohen ihm sechs Monate bis zehn Jahre Gefängnis. Sollte er nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden, muss er mindestens drei Jahre in Haft. Das Urteil wird Mitte Juni erwartet.

Tugce starb an ihren schweren Verletzungen

Tugce und ihre Freundinnen hätten zwar zurück geschimpft, allerdings deutlich weniger aggressiv, sagte die erste 21 Jahre alte Zeugin weiter. "Halt die Fresse!" habe Tugce A. auf Sanels üble Pöbeleien geantwortet. Den Schlag des Angeklagten hat die Zeugin nach eigener Aussage zwar nicht gesehen, aber gehört. "Das war ein Geräusch so laut, als ob jemand einen Fernseher aus dem Fenster wirft."

Bewegender Abschied von Tugce A.

Abschied von Tugce A.: Die getötete Studentin...
Abschied von Tugce A.: Die getötete Studentin... © dpa
... ist am Mittwoch beerdigt worden.
... ist am Mittwoch beerdigt worden. © imago/epd
Vor der Moschee im hessischen Wächtersbach nahmen etwa tausend Trauergäste Abschied von der getöteten Studentin.
Vor der Moschee im hessischen Wächtersbach nahmen etwa tausend Trauergäste Abschied von der getöteten Studentin. © dpa
Die Erinnerungen an die junge Frau, die Mitte November nach einer Prügelattacke ins Koma gefallen war und am vergangenen Freitag verstarb, waren allgegenwärtig.
Die Erinnerungen an die junge Frau, die Mitte November nach einer Prügelattacke ins Koma gefallen war und am vergangenen Freitag verstarb, waren allgegenwärtig. © Getty Images
Gemeinsam beteten die Trauernden für die Verstorbene.
Gemeinsam beteten die Trauernden für die Verstorbene. © Getty Images
Dabei war der Sarg im Außenbereich der Moschee aufgebahrt.
Dabei war der Sarg im Außenbereich der Moschee aufgebahrt. © dpa
Unter den Gästen waren auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (l, CDU) und seine Frau Ursula.
Unter den Gästen waren auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (l, CDU) und seine Frau Ursula. © dpa
Nach dem Gebet wurde der Sarg durch die Menge getragen...
Nach dem Gebet wurde der Sarg durch die Menge getragen... © Getty Images
...und zum benachbarten Friedhof gebracht.
...und zum benachbarten Friedhof gebracht. © dpa
Der türkische Botschafter Hüseyin Avni Karslıoğlu (vorne rechts) und Volker Bouffier trugen den Sarg auf dem Friedhof in Bad Soden-Salmünster (Hessen).
Der türkische Botschafter Hüseyin Avni Karslıoğlu (vorne rechts) und Volker Bouffier trugen den Sarg auf dem Friedhof in Bad Soden-Salmünster (Hessen). © dpa
Am Grab nahmen Familie, Freunde und viele weitere Trauergäste Abschied.
Am Grab nahmen Familie, Freunde und viele weitere Trauergäste Abschied. © Getty Images
Am Grab nahmen Familie, Freunde und viele weitere Trauergäste Abschied.
Am Grab nahmen Familie, Freunde und viele weitere Trauergäste Abschied. © dpa
Am Grab nahmen Familie, Freunde und viele weitere Trauergäste Abschied.
Am Grab nahmen Familie, Freunde und viele weitere Trauergäste Abschied. © dpa
Am Grab nahmen Familie, Freunde und viele weitere Trauergäste Abschied.
Am Grab nahmen Familie, Freunde und viele weitere Trauergäste Abschied. © dpa
Am Grab nahmen Familie, Freunde und viele weitere Trauergäste Abschied.
Am Grab nahmen Familie, Freunde und viele weitere Trauergäste Abschied. © dpa
Mit Fotos erinnern Trauergäste an die Verstorbene...
Mit Fotos erinnern Trauergäste an die Verstorbene... © Getty Images
...und verteilen diese an die weiteren Gäste.
...und verteilen diese an die weiteren Gäste. © Getty Images
Stilles Gedenken an Tugce A.
Stilles Gedenken an Tugce A. © dpa
Stilles Gedenken an Tugce A.
Stilles Gedenken an Tugce A. © Getty Images
Am Grab nahmen Familie, Freunde und viele weitere Trauergäste Abschied.
Am Grab nahmen Familie, Freunde und viele weitere Trauergäste Abschied. © dpa
Mit zahlreichen Kränzen und Blumengestecken erinnern die Trauergäste an Tugce A.
Mit zahlreichen Kränzen und Blumengestecken erinnern die Trauergäste an Tugce A. © dpa
Ein letzter Gruß für die Studentin.
Ein letzter Gruß für die Studentin. © dpa
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Die Zeuginnen erklärten übereinstimmend, sich nicht im Detail miteinander über die verhängnisvolle Nacht unterhalten zu haben. Bei gemeinsamen Gesprächen sei es eher um das Schicksal von Tugce A. gegangen. Richter Aßling wies sie allerdings darauf hin, dass es in den Unterlagen über die polizeilichen Vernehmungen deutliche Übereinstimmungen gebe. "Das spricht doch dafür, dass man sich unterhält, bevor man zur Polizei geht." Er zeigte Unverständnis darüber, warum die Freundinnen dies nicht einfach einräumten.

Ein Rettungsassistent, der mit einem Notarzt herbeigeeilt war, sagte, Tugce A. sei "nicht ansprechbar" gewesen. Die 22-Jährige sei mit Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma in ein Krankenhaus gebracht worden. Ärzte der Klinik meinten, der lebensbedrohliche Zustand von Tugce A. sei schnell entdeckt worden. Sie starb an ihren schweren Verletzungen. Der Prozess soll an diesem Freitag (8. Mai) fortgesetzt werden. (dpa)