Wenn Barbie mithört - Lauschangriff im Kinderzimmer
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Washington. . „Barbie“, die berühmteste Puppe der Welt, soll demnächst interaktiv werden: Sie spricht und hört zu. Datenschützer finden das nicht kindgerecht.
Sie war Astronautin, Fotografin, Polizistin, Präsidentschaftskandidatin, Flugzeug-Pilotin, Chirurgin, Handwerkerin und Kanzlerin. Nur wirklich gesprächig war sie nie. Stumm und mit eingefrorenem Zahnpasta-Lächeln ertrug sie alle Anwandlungen ihrer infantilen Kernkundschaft. Vorbei. Barbie, der Welt berühmteste An- und Ausziehpuppe, wird im 56. Jahr ihrer Schöpfung in Millionen Kinderzimmern die Verhältnisse zum Tanzen bringen. Barbie lernt zuhören. Und sprechen. Nach einer technischen Aufrüstung, die Datenschützer in Wallung bringt.
„Hello Barbie“ kostet 74,99 Dollar
Hinter Barbie 3.0 steht weniger die Sorge, dass der weibliche Nachwuchs den pädagogisch immer weiter nach vorne verlegten Anschluss ans digitale Weltgetriebe verpassen könnte, als vielmehr der schnöde Mammon. Hersteller Mattel, der seit 1959 über eine Milliarde Exemplare verkauft hat, ächzt im Zeitalter von Smartphones, iPads und anderen interaktiven Gerätschaften unter Umsatzrückgängen von zuletzt über 50 Prozent. Das soll sich ändern, wenn „Hello Barbie“ zu 74,99 Dollar das Stück in den USA in die Regale kommt. Denn anstatt dem Zugeständnis an den Zeitgeist in landestypischer Fortschrittsgläubigkeit zu huldigen, regt sich Protest und tiefes Misstrauen. Vom „Lauschangriff im Kinderzimmer“ ist die Rede. Von „Ausspionieren“. Und von Eltern, die Mattel mit Petitionen zu Leibe rücken, noch bevor die erste Quasselstrippe über die Ladentheke gegangen ist.
Der Grund ist ein ausgekochtes Spracherkennungssystem, das bei jeder High-Tech-Barbie mit einem Knopfdruck in der Puppenkörpermitte aktiviert wird. Was ab dann im Kinderzimmer besprochen wird, bleibt nicht mehr im Kinderzimmer. Per W-Lan geht die Kommunikation an die Firma Toytalk in San Francisco, wird dort analysiert und ruckzuck mit passenden Antworten an die Puppe zurückgebeamt. Die Folge: Barbie spricht, scheinbar wie ein echtes Wesen. Je intensiver und detaillierter die kleinkindliche Zuwendung, desto mehr kommt aus dem Puppenmund retour. Barbie merkt sich Namen, Orte, Zahlen, Begebenheiten. Theoretisch einfach alles.
Unheimlich statt süß
Was manche „cute“ finden – niedlich, kommt Angela Campbell vom Zentrum für Privatsphäre und Technologie der Georgetown-Universität in Washington „creepy“ vor – unheimlich. „Wenn ich ein kleines Kind hätte, wäre ich sehr besorgt, wenn die intimen Gespräche meiner Tochter mit ihrer Puppe mitgeschnitten und ständig analysiert würden“, sagt die Wissenschaftlerin.
Campbell denkt dabei an einen Werbe-Clip von Mattel, in dem die neue Barbie ihrer Besitzerin nach ausgiebiger Datenfütterung sehr gezielte Fragen über Interessen, Vorlieben und Kaufgewohnheiten stellte; und zwar auf die ganze Familie bezogen. „Diese Informationen sind für die Industrie von höchstem Wert. So könnten Kinder künftig passgenaue Werbe-Botschaften erhalten“, befürchtet Campbell und fordert wie die „Kampagne für eine werbefreie Kindheit“ den Stopp der Laber-Barbie.
Computer-Hacker könnten Puppe umprogrammieren
Andere Kritiker sehen die Schwächen an den technischen Schnittstellen. „Wenn Computer-Hacker Zugang finden, könnte Barbie mit Schwenkarm oder Drohungen gefüttert werden und Kinder in Angst versetzen“, ist in Internet-Foren zu lesen.
Mattel und Toytalk, erschrocken über so viel Zukunftsängste, wiesen die Befürchtungen zurück. Weder würden die gespeicherten Inhalte für Marketing und Werbung noch für andere öffentliche Zwecke genutzt. Sondern allein zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Puppe und Kind. Ob darüber wirklich das letzte Wort gesprochen ist? Man müsste demnächst mal Barbie fragen.
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