Berlin. Die neue Geschlechter-Studie der OECD zeigt: Mädchen fehlt in Mathe das Selbstvertrauen. Und wer ist schuld – Eltern, Lehrer oder die Kinder selbst?

Mädchen können kein Mathe. Is' halt so.

Wie fatal dieser Satz ist zeigt die neue Geschlechterstudie der OECD: Viele Mädchen trauen sich Naturwissenschaften einfach nicht zu. Dabei sind sie, fachlich gesehen, genauso gut wie Jungs. Sie sehen es nur nicht. Oder wollen es nicht sehen.

Aber warum? Dafür hat Prof. Anina Mischau auch keine eindeutige Erklärung. Sie ist Gastprofessorin für "Gender-Studies in der Mathematik" an der FU Berlin. "Mädchen spielen ihre Leistungen oft runter mit Erklärungen wie 'Ich hatte Glück' oder 'Das waren genau die Fragen, die ich vorbereitet hatte.' Jungen tun das nicht."

Mathe ist extrem männlich stereotypisiert

Das Problem sei ein gesellschaftliches: Mathe (wie Naturwissenschaften allgemein) ist extrem männlich stereotypisiert. Die Annahme, das Fach sei eine Jungendomäne, hat sich so tief in die Köpfe gefressen, dass sie aus dem kollektiven Bewusstsein kaum zu löschen ist.

Dabei seien die Stereotype "Jungs können Mathe – Mädchen können Deutsch" genauso konstruiert wie andere Geschlechterrollen auch. Erfundene Bilder also

Die Folge: Die Bilder werden zur "self-fulfilling prophecy". Wenn sich Mädchen immer wieder einreden (lassen), sie könnten kein Mathe, dann glauben sie's – und können es nicht.

Eltern stülpen Kindern Geschlechterrollen über

"Nur sehr wenige Kinder lassen sich davon nicht beeindrucken", weiß Geschlechterforscherin Mischau. Dafür brauchen sie viel Unterstützung im Elternhaus. Und Freunde, die keinen sozialen Druck ausüben. Und Lehrer, die sie ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen. "Wir müssen Vorurteile abbauen. Wir müssen das Bild der Masse verändern", fordert Mischau. "Es muss selbstverständlich sein, dass es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt."

Solange Eltern ihren Kindern von Klein auf Geschlechterrollen überstülpen – solange wird das mit dem Selbstverständnis wohl nichts. "Eltern müssen vorurteilsfrei an die Erziehung ihrer Kinder gehen", meint Mischau. "Sie müssen ihre Kinder als Menschen sehen, deren Potenziale noch ganz am Anfang stehen." Ihre Interessen müssen sich erst entwickeln. Man darf sie ihnen nicht einpflanzen.

Und Pädagogen? Die müssen besser ausgebildet werden. "Wir brauchen in Kindergarten und Schule mehr Genderkompetenz", fordert Mischau. Eigentlich klingt das ganz einfach: "Wir müssen Individuen fördern – nicht Geschlechter."

"Müssen Individuen fördern – nicht Geschlechter"

Übrigens: Deutschland ist in Sachen "Jungenfach Mathe" ganz weit vorn. Schon in Frankreich sei das ganz anders, weiß Genderforscherin Mischau: Da gebe es deutlich mehr Mathematik-Dozentinnen. Und in Ländern wie Island sei Mathe gleich ein Fach wie andere auch. Deutschland hat also noch einen langen Weg vor sich.