Essen. Abenteuer in einem alternativen London - Sony setzt mit „The Order 1886“ neue Maßstäbe in Sachen Grafik auf der Playstation 4.

Die Stadt kommt einem bekannt vor. Westminster Abbey, Big Ben, ja das muss London sein. Nicht heute, sondern im 19. Jahrhundert. Viktorianisches Zeitalter aber irgendwie anders, als man es aus alten Erzählungen oder Filmen kennt. Schon wegen der gigantischen Zeppeline, die am Himmel schweben. Aber auch wegen der Waffen, die manche Männer mit sich herumschleppen. „Charles Dickens trifft auf Blade Runner“, hat Ru Weerasuriya, Studioboss Kreativdirektor und Chefautor der Entwicklerfirma „Ready At Dawn“ das Spiel neulich mal beschrieben. „The Order 1886“ heißt es offiziell und es gibt viele Menschen, die sehnsüchtig darauf gewartet haben – zumindest, wenn sie Besitzer einer Playstation 4 sind. Denn da will dieses Abenteuer in einem alternativen London neue Maßstäbe setzen.

Und wenn man zu spielen beginnt, in die Rolle des edlen Galahad schlüpft, dann tut es das zunächst auch. Kein anderes Spiel auf einer Next-Gen-Konsole sieht so gut aus wie The Order. Poren, Pigmentflecken, Sorgenfalten – die Mimik der Spielcharaktere wirkt wie abgefilmt, nicht wie programmiert, Stoffe flattern im Wind, Metall glänzt in der Sonne, die ganze Umgebung strotzt vor Details.

Die Geschichte ist etwas wirr

Natürlich wissen die Entwickler, was sie da geschaffen haben und bombardieren den Spieler quasi mit nicht überspringbaren Filmsequenzen, so genannten Quick Time Events (QTE), in denen man vor dem Bildschirm zur Untätigkeit verdammt ist. Und man weiß nicht, ob man staunen soll darüber, wie nahtlos der Übergang zwischen Spiel und Film meist läuft oder sich ärgern soll, dass man gerade die Waffe gezückt hatte und nun plötzlich in einem Film steckt, auf den man keinen Einfluss hat. Denn anders als etwa bei „Heavy Rain“ kann man nicht einmal durch Dialoge die Richtung beeinflussen, in die das Spiel sich entwickeln soll.

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Die eigentliche Geschichte ist etwas wirr. Es gibt nahezu unsterbliche Helden, Werwölfe, eine Revolution und natürlich auch eine Verschwörung. Es gibt viele kleine Handlungsstrecken, manchmal sucht man den roten Faden, der alles zusammenhält. Jack The Ripper spielt eine Rolle und der legendäre Nikola Tesla, der seine elektrischen Experimente macht und nebenher Waffen für die Ritter der Tafelrunde fertigt. Die gibt es nämlich auch im Spiel. Viele Fragen bleiben unbeantwortet, manches ist schlicht unverständlich. Ideale Voraussetzungen für einen zweiten Teil oder zumindest eine Erweiterung.

Technisch ist The Order 1886 gut umgesetzt

Spielerisch bietet „The Order 1886“ Standardkost, die technisch gut umgesetzt ist. Der Spieler schleicht, hangelt, klettert und kämpft sich extrem linear durch eng begrenzte Level. Dabei sucht man hinter allen möglichen Objekten Schutz, um mit diversen Waffen seine Gegner auszuschalten.

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Die sind in der Regel nicht allzu clever, wer dennoch Probleme mit ihnen hat, kann etwas aktivieren, was sich „Schwarzsicht“ nennt und ein wenig an die Zeitlupenfunktion aus den Max Payne-Spielen erinnert. Hin und wieder kommt es zu Nahkämpfen. Die bringen etwas Abwechslung, stellen aber selbst unerfahrene Spieler nicht vor unlösbare Aufgaben.

So wird The Order die Spielerschaft spalten. Experten werden in maximal acht bis zehn Stunden das recht offene Ende erreicht haben und wenig Drang verspüren zu einem zweiten Durchlauf. Gelegenheitszocker aber kommen angesichts der atemberaubenden Grafik aus dem Staunen nicht heraus und werden auf dem Weg zum Ziel nicht vor unlösbare Aufgaben gestellt.

Fazit: Kein Spielfilm, aber oft mehr Film als Spiel
Wertung: vier von fünf Sternen

„The Order 1886“, Sony, PS4, ab 18 Jahre, ca. 70 Euro