Berlin. Auf der Plattform “Younow“ filmen sich oft junge Nutzer und übertragen die Aufnahmen live ins Netz. Politik und Jugendschützer schlagen Alarm.
Unter Teenagern ist es der Renner, für Jugendschützer hingegen ein Alptraum: Younow, ein Streaming-Dienst im Internet. Younow-Nutzer filmen sich und übertragen die Aufnahmen live ins Netz.
Jeder kann zusehen und im Chat Kontakt aufnehmen. Viele Nutzer sind Jugendliche. Das alarmiert Beobachter: "Online-Striptease aus dem Kinderzimmer" oder "Tummelplatz für Pädophile" lauten zuletzt die Schlagzeilen über das Portal. Jugendschützer warnen vor Gefahren, auch das Familienministerium ist beunruhigt.
"Kommunikationsplattformen wie Younow sind hoch problematisch", sagt ein Sprecher des Ministeriums. Das Netzwerk verleite junge Nutzer, Einblicke in deren Privatsphäre zuzulassen - meistens seien sie eindeutig identifizierbar. Die Nutzer "erleichtern so Mobbing durch Gleichaltrige und sexuelle Belästigungen durch Erwachsene."
Zuschauen und Chatten funktioniert ohne Anmeldung
Nutzer benötigen nur einen Rechner mit Internetzugang und eine Webcam. Auch per Smartphone mit Kamera und App funktioniert der Dienst. Wer selbst Videos senden will, muss sich anmelden - Zuschauen und Chatten funktioniert ohne Anmeldung.
Auch interessant
Zuschauer stellen Fragen, die Teenager antworten live im Video. "Was machst du da mit der Nase" oder "Bitte sing mal was hast schöne Zähne hahaha", lauten Kommentare. Beliebte Themen erscheinen als Schlagworte, etwa #deutsch-girl, #deutsch-boy oder #schule. Nach Facebook-Likes und Instagram-Fotos kommt nun die Präsentation im Livestream.
In den USA gibt es die Plattform seit 2011. Seit Ende vergangenen Jahres sind auch die Nutzerzahlen hierzulande gestiegen. 16 Millionen Streams sendeten Younow-Nutzer aus Deutschland laut dem Magazin "Stern" im Januar 2015. Nach Angaben des Webdienstes Alexa kommen ein Drittel der Nutzer aus Deutschland.
Jugendliche testen ihre Wirkung
"Besonders die Einfachheit von Younow fasziniert Jugendliche", sagt Otto Vollmers, Geschäftsführer des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM). Damit testen Jugendliche ihre Wirkung im Wettstreit mit anderen Nutzern aus, wie Fachleute sagen. Beliebte Stars auf der Videoplattform YouTube hätten angefangen, Younow zu nutzen - so entdeckten auch ihre jugendlichen Fans den Dienst, erklärt das Familienministerium.
"Wenn man sich mal durch die Videos klickt, sieht man schnell die eindeutigen Fragen und Kommentare von Nutzern", heißt es in einem Bericht auf der Internetplattform Juuuport von der Niedersächsischen Landesmedienanstalt.
"Eine 13-Jährige wird dort aufgefordert: "zeig mal deinen bh", ein anderer Nutzer fragt: "sind deine eltern nicht zu hause mein kind?", schildert das Portal für Jugendliche. Wer die Fragen stelle, sei unklar: "Ist es ein 52-Jähriger oder ein süßer 16-jähriger Mitschüler?"
Jugendliche dürfen erst ab 13 mitmachen
In einer Nachricht an die deutschen Nutzer reagierten die Betreiber von Younow auf die Kritik. "Wir nehmen diese Angelegenheiten sehr ernst", steht in dem Anfang Februar veröffentlichten Blogeintrag. "Wir haben ein Moderationsteam, das 24 Stunden am Tag arbeitet, um User zu verbannen, die gegen unsere Bedingungen und Regeln verstoßen", heißt es in etwas gestelztem Deutsch.
Täglich werde das Team vergrößert. Die Nutzung sei nur Jugendlichen ab 13 Jahren gestattet. Eine verletzende Sprache sei verboten. Mit einem Melde- und Blockiersystem sollen Verstöße geahndet werden.
Auch interessant
Younow "betreibt jedoch keine Vorsorge, um Kinder und Jugendliche wirkungsvoll vor Übergriffen und Gefährdungen zu schützen", moniert der Sprecher des Familienministeriums. "Altersangaben werden nicht verifiziert und das Angebot lässt sich nicht so einstellen, dass die Zugänglichkeit von Live-Streams beschränkt werden kann." Kurzum: "Für Kinder ist der Dienst nicht geeignet."
Portal haftet nur bei gemeldeten Verstößen
"Tatsächlich sind zahlreiche Nutzer auf Younow aktiv, die die gesetzte Altersgrenze nicht erreichen", meint der Stuttgarter Anwalt für Internet- und Medienrecht, Carsten Ulbricht. Das Portal hafte nur, wenn es nicht auf einen gemeldeten Verstoß reagiere. "Es gibt also keine Pflicht für Younow, die Inhalte proaktiv zu kontrollieren", sagt Ulbricht. "Dies wäre bei Liveübertragung ohnehin kaum möglich."
Der Berliner Medienexperte Thomas Feibel teilt die Bedenken zu Younow zwar, hält aber nichts von Panikmache. "Immer schneller kommen durch Internet und Smartphones neue Erziehungsherausforderungen auf die Eltern zu", sagt Feibel, der mehrere Ratgeber zum Thema Kinder und Computer geschrieben hat. Nicht Verbote, sondern Aufklärung der Kinder seien sinnvoll. "Nur wer seinen Kindern feste Regeln vermittelt, muss vor der nächsten Herausforderung keine Angst haben." (dpa)