Essen. Eigentlich wollte Facebook seine strengen Richtlinien lockern. Doch wer sich mit Pseudonym anmeldet, riskiert, dass sein Profil gelöscht wird.

1,35 Milliarden Menschen nutzen weltweit Facebook. Eigentlich müssten sie alle mit ihrem Klarnamen angemeldet sein. Jedenfalls, wenn es nach Facebook ginge. Doch viele Nutzer halten sich nicht an die Regel – und wollen ihren echten Namen auch gar nicht preisgeben. Doch wer kennt sie nicht, die Anni Kas, Benja Mins und Laura Pes?

In den vergangenen Wochen führte Facebook offensichtlich wieder verstärkt Kontrollen durch. Manch einem, der unter Pseudonym oder Spitznamen angemeldet ist, drohte das US-Unternehmen, das Konto zu löschen. Denn die Facebook-Richtlinien schreiben vor, dass sich Nutzer mit ihrem richtigen Namen registrieren müssen.

Facebook-Regeln nach deutschem Recht äußerst fragwürdig

Wer den Online-Dienst nutzt, stimmt den Nutzungsbestimmungen automatisch zu. Dabei sind die Facebook-Regeln nach deutschen Recht äußerst fragwürdig. „In Deutschland ist es grundsätzlich erlaubt, Online-Dienste unter Pseudonym zu nutzen“, stellt Dennis Romberg, Online-Redakteur beim Verbraucherzentrale-Bundesverband klar. „Das erlaubt das Telemediengesetz.“

Der US-Konzern schert sich allerdings wenig darum. Pseudonyme sind für ihn tabu. Dies trage zur Sicherheit der Gemeinschaft bei, begründet Facebook. „Die Nutzer würden besonnener agieren und in ihren Beiträgen seltener ausfallend werden. Das ist zumindest die offizielle Begründung von Facebook“, sagt Dennis Romberg.

Inoffiziell, ist sich der Verbraucherschützer sicher, könne das Unternehmen einfach mehr mit Klarnamen anfangen. „Insbesondere in den USA, wo die Verbindung von On- und Offlinedaten durch die Nutzung von Kreditkarten und Payback-Systemen viel stärker verbreitet ist als bei uns“, erklärt Romberg.

Facebook kennt sogar die finanzielle Situation vieler Nutzer

So erhalte der Konzern beispielsweise Informationen zum Kaufverhalten seiner Nutzer. „Auch über die finanzielle Situation vieler User weiß Facebook Bescheid“, sagt Romberg. Mit diesem Wissen ließen sich Werbeplätze für individuell zugeschnittene Anzeigen lukrativer verkaufen.

Doch wie stößt Facebook eigentlich darauf, dass Nutzer nicht ihren echten Namen verwenden? „Wenn ich ein Pseudonym verwende, aber meine Nachrichten immer mit Dennis unterschreibe, kann das für Facebook schon ein Hinweis sein“, erklärt Dennis Romberg. „Facebook liest eben alle Nachrichten mit.“ Zudem griffen die facebookeigenen Algorithmen.

Boykott als einzig wirksame Alternative

Wenn Facebook einem Pseudonym erst einmal auf die Schliche gekommen ist, haben Nutzer kaum Chancen, die Angabe ihres echten Namens zu umgehen. „Wenn man den Online-Dienst weiter nutzen möchte, könnte man klagen – oder man verzichtet eben auf Facebook“, zählt Romberg die wenigen Möglichkeiten auf. Zudem scheinen die Erfolgsaussichten vor Gericht eher gering. Im Februar dieses Jahres erzielte Facebook in einem Streit um die Klarnamen-Pflicht vor dem Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein einen Etappensieg. Damals stützte der Kieler Datenschützer Thilo Weichert seine Forderungen, Pseudonyme zuzulassen, auf das deutsche Datenschutzrecht - erfolglos.

Das rigide Vorgehen des US-Unternehmens überrascht Dennis Romberg. Denn erst im Herbst dieses Jahres hatte eine Welle von Profillöschungen zu medienwirksamen Protesten geführt. Damals waren vor allem die Nutzerkonten von Drag Queens und Drag Kings sowie Transgender und Travestiekünstler betroffen, die ihren Künstlernamen statt ihres juristischen Namens angegeben hatten.

Eigentlich wollte Facebook die Klarnamen-Regelung lockern

„Facebook wollte seine Richtlinien lockern“, erinnert sich Dennis Romberg. „Damals habe man eingesehen, dass ein Pseudonym für manche Menschen einfach unheimlich wichtig ist. Man denke nur an diejenigen, die zum Beispiel in arabischen Ländern politisch verfolgt werden.“ Oder eben an die Drag Queens und Kings, die sich vor den Reaktionen am Arbeitsplatz und in der Familie fürchteten. In einem Blogbeitrag hatte sich Facebook-Manager Chris Cox im Oktober bei den betroffenen Facebook-Nutzern entschuldigt.