Hagen. . Keiminfektionen im Krankenhaus sind ein Thema aus der Mitte des Lebens. Das war hör- und spürbar an unserem Lesertelefon. Zwei Stunden lang gaben drei Experten nicht nur ihr Wissen weiter, beantworteten Fragen und gaben wichtige Ratschläge an Betroffene. Sie lernten auch selbst dazu.

An einem Ende der Leitung: Prof. Dr. Walter Popp, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, Dr. Klaus Schatzmann, Hygienearzt im Essener Alfried-Krupp-Krankenhaus, und Karoline Seibt, Medizinrechtlerin und Patientenanwältin. Am anderen Ende: sensibilisierte Leser, teils unsicher, teils besorgt, aber nicht gewillt, das eigene Schicksal anderen zu überlassen.

Sie sind hellwach. „Ich will vor meiner OP wissen, ob ich einen Keim habe“, sagte eine Anruferin. „Nicht dass man mir hinterher einen in die Schuhe schiebt, den ich mir erst im Krankenhaus geholt habe.“ Die Krankenkasse müsse die Kosten für einen Keimtest übernehmen, sagt Patientenanwältin Seibt und rät: „Notfalls einklagen.“

Eine Leserin hat ihre Rückversicherung schon in der Tasche: „Ich habe direkt vor meiner Einweisung einen MRSA-Test gemacht und ihn der Klinik gezeigt. Befund: negativ. Jetzt wissen alle, wo sie dran sind.“ „Gute Idee“, sagt Popp. Das hebe vielleicht nicht die Stimmung auf der Station, aber sicher die Vorsicht des Personals. Anlaufstellen für Keimtests sind der Hausarzt oder ein mikrobiologisches Labor.

Wie pflege ich Betroffene?

Ein großes Thema: der Umgang mit Keimträgern, in der Klinik wie daheim. „Mein Mann hat MRSA und lag mit keimfreien Patienten auf einem Zimmer“, berichtete eine Frau. „Das darf nicht sein, er muss isoliert werden“, sagte Popp. Im privaten Umfeld grassieren diffuse Ängste. „Darf ich mich noch mit meiner Freundin treffen?“, fragte eine MRSA-Patientin. „Kaffeetrinken oder Ausgehen ist kein Problem“, sagte Popp, „das Küsschen rechts und links würde ich lassen. Und nach der Begrüßung die Hände desinfizieren.“

Die Gefahr ist oft bedrückend nah: Der Mann kommt mit MRSA aus dem Krankenhaus und liegt jetzt mit einer offenen Wunde im Bett. Seine Frau pflegt ihn. Die Tochter ist hochschwanger. Ein Risiko? Ja, und zwar für alle, sagen die Experten. Der Keim könne „auch das ungeborene Kind“ befallen. Intensive Händedesinfektion – einfaches Waschen reicht nicht – sei Pflicht, Umarmungen tabu.

Die OP hinausschieben?

In der Enge der häuslichen Pflege läuten oft Notglocken, die draußen niemand hört. Eine alte Frau versorgt daheim ihren Mann, der Pflegestufe 3 hat. Sie hat eine Raucherlunge; eine Bronchoskopie wäre fällig, doch sie hat auch MRSA, gefunden in der Nase. „Dann sind die Keime wahrscheinlich auch an anderen Körperstellen und im Bettzeug“, vermutet Popp. Sein Rat: „Die Wäsche bei 90 Grad waschen.“ Ob sie jetzt einen Vollschutzanzug für die Pflege ihres Mannes brauche? Nein, aber eine MRSA-Sanierung, „und zwar nicht nur Nasenspray, sondern das volle Programm“. Der Hausarzt sei gefordert. Und wenn der nicht weiter wisse, ein ausgebildeter Hygienearzt im Krankenhaus. „Wohin mit meiner Knie-OP?“ So lange rausschieben wie möglich, rät der Experte. Gerade Keiminfektionen im Knie seien nicht selten und oft folgenschwer. Wenn kein Weg mehr am Eingriff vorbeiführe, „bei der Krankenkasse anfragen, welches Krankenhaus sehr viele dieser OPs macht“. In spezialisierten Kliniken seien Komplikationen unwahrscheinlicher als anderswo. Eine Faustregel: wenig Erfahrung, weniger Kompetenz.

Und immer wieder: Keimopfer. Der Mann, dessen Unfallverletzung am Bein nach jeder OP schlimmer wurde, bis er nach dem 30. Eingriff daran starb und über dessen Tod seine Witwe nach den Berichten dieser Zeitung über ähnliche Fälle sagt: „Jetzt ahne ich, warum.“ Oder der Mann, der mit MRSA nach Hause entlassen wurde, ohne eine Information an die Angehörigen, ohne Nachsorge, ohne Verhaltensregeln, und dessen Angehörige erst von seinem Keim erfuhren, als sich der erste selbst angesteckt hatte. Oder die 59-jährige Frau, die sich als „Aussätzige“ fühlt, „weil ich in allen Computern als MRSA-Trägerin gespeichert bin“. Als Krankenschwester auf einer Palliativstation hat sie sich „den Keim geholt und werde ihn jetzt nicht mehr los, weil ich nirgendwo behandelt werde“. Rechtsanwältin Seibt machte ihr Mut. Hier gebe es Entschädigungsaussichten. „Das müsste als Berufskrankheit anerkannt werden.“

Zahl der Besucher reduzieren

Was tun gegen schlechte Hygiene? „Die Zahl der Besucher reduzieren, dann wird es auch sauberer“, so ein Anrufer. „Die schlechte Reinigung ist schuld“ – die Kritik kam öfter. „Das ist ein wirklich kritischer Punkt“, sagte Schatzmann. Und hier sei das Urteil der meisten Patienten absolut fundiert, meint Kollege Popp. „Die sehen das ja aus dem Bett. Und sie putzen zu Hause alle selber – aber besser.“

Wie nah das Problem ist, verdeutlichte ein Anruf. Das Essener Alfried-Krupp-Krankenhaus schickte einen Patienten nach einem Keimabstrich heim. Monatelang hörte der Mann nichts von der Klinik. Als er wegen eines Termins wieder ins Krankenhaus kam, erfuhr er beifällig: „Sie haben MRSA.“ Seither rätselt er darüber, wen er inzwischen angesteckt haben könnte. Schatzmann, zuständiger Hygienearzt, nannte diese „Mitteilungspolitik suboptimal“. Er wolle den Fall „intern besprechen, damit das verbessert wird“.

Der finale Lesertipp zum Keimstopp wirkt garantiert: „Viel an der frischen Luft aufhalten. Und wenig im Krankenhaus.“