Frankfurt/Main. Ein Cannabis-Verbot ist aus Sicht vieler Strafrechtler Unsinn. “Das Potenzial an Irrationalitäten in der Politik ist hoch“, meint ein Rechtsprofessor.

122 Strafrechtsprofessoren setzen sich für eine liberalere Drogenpolitik ein. Sie haben eine Petition unterschrieben, um den Gesetzgeber auf die schädlichen Nebenwirkungen der Kriminalisierung aufmerksam zu machen. Einer von ihnen ist Prof. Ulfrid Neumann vom Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie der Frankfurter Goethe-Universität. Im Vorfeld der Cannabis-Fachtagung der Stadt Frankfurt an diesem Montag sprach die Deutsche Presse-Agentur mit ihm über die Argumente des sogenannten Schildower Kreises.

In der Resolution des "Schildower Kreises" heißt es: "Die strafrechtliche Drogenprohibition ist gescheitert." Sehen Sie das auch in Bezug auf Cannabis so?

Prof. Ulfrid Neumann: Ich sehe das absolut so, aus zwei Gründen. Erstens: Das Ziel, das mit einer Kriminalisierung verfolgt werden soll, nämlich den Handel und den Konsum zu unterbinden, ist nicht erreicht worden. Der zweite Punkt ist, dass die Nebenfolgen der Kriminalisierung so unerfreulich sind, dass die Gesamtbilanz, das Strafrecht hier einzusetzen, klar negativ ist. Ich verweise hier nur auf die kriminellen Strukturen, die sich unweigerlich herausbilden, wenn ein Produkt, nach dem Nachfrage besteht, in den Schwarzmarkt abgedrängt wird.

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Sollte Cannabis legal konsumiert werden dürfen wie Zigaretten oder Alkohol?

Ich denke, was die Legalität betrifft: Ja. Die rechtliche Freigabe sollte aber flankiert sein von Aktionen, die vor dem Missbrauch warnen. Wir haben bei der Droge Nikotin ja gesehen, dass Veränderungen durch Aufklärung möglich sind und dass diese vor allem auf einer Veränderung des gesellschaftlichen Klimas beruhen.

Die Liste der Unterzeichner Ihrer Petition ist beeindruckend lang und hochkarätig. Wieso kommt trotzdem keine Bewegung in diese Debatte?

Ich glaube, dass Juristen, die sich professionell mit der Leistungsfähigkeit des Strafrechts und deren Grenzen beschäftigen, insoweit einen realistischeren Blick haben. Wir müssen auch weniger auf gesellschaftliche Stimmungen reagieren als die Politik. Meines Erachtens ist bei diesem Bereich das Potenzial an Irrationalitäten in der Politik relativ hoch. Die gegenwärtige Drogenpolitik hat mit einer rationalen Kriminalpolitik nur sehr partiell etwas zu tun.

ZUR PERSON: Prof. Ulfrid Neumann, Jahrgang 1947, studierte Rechtswissenschaft in Tübingen und München. Nach Promotion und Habilitation wurde er 1984 Professor für Rechtsphilosophie an der Universität Frankfurt. Nach einigen Jahren an der Universität Saarbrücken kehrte er 1994 an den Main zurück, wo er Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie lehrt. Er gehört zum sogenannten Schildower Kreis, einem Zusammenschluss von Juristen, die sich für ein Umdenken in der Drogenpolitik einsetzen. (dpa)