Wiesbaden. Schikane beim Rezept, Bockigkeit der Kassen - wer als Arzt die Schmerzen seiner Patienten mit dem Wirkstoff der Cannabis-Pflanze lindern möchte, hat es nicht einfach. Der Wiesbadener Arzt Dr. Thomas Nolte dazu im Interview.
Medikamente aus Cannabis sind "eine effektive, gut verträgliche Substanz und eine Bereicherung im Spektrum eines Schmerztherapeuten und Palliativmediziners", sagt der Wiesbadener Arzt Dr. Thomas Nolte. Im Interview erklärt er, wieso er Dronabinol - so der Handelsname der Rezeptursubstanz, die aus dem Cannabis-Wirkstoff THC hergestellt wird - trotzdem kaum verordnet.
Welche Arten von Cannabis-Medikamenten stehen Schmerzpatienten und Sterbenden in Deutschland zur Verfügung?
Nolte: Es gibt natürlich vorkommende Cannabinoide, die in der Natur angepflanzt werden und auch in der Medizin Verwendung finden. Wir als Ärzte verordnen halbsynthetische Cannabinoide wie Dronabinol. Der Wirkstoff ist derselbe, verschieden ist nur die Darreichungsform: Cannabis kann man rauchen oder als Pulver verarbeiten. Im medizinischen Bereich wird es als Tablette oder ölige Substanz verabreicht.
Für wen sind diese Medikamente geeignet - und wo liegt ihr Vorteil?
Nolte: Die Anwendung ist äußerst selten - ich verordne diesen Wirkstoff vielleicht einem von 200 Schmerzpatienten pro Woche. Die Verordnung ist auf bestimmte Patientengruppen beschränkt, zum Beispiel mit Multipler Sklerose, schwerem Tumorschmerz oder Spastiken. Der Vorteil ist die gute Verträglichkeit, auch in der Langzeitanwendung. Wegen des speziellen Wirkmechanismus können wir damit Effekte erzielen, die wir mit anderen Pharmaka nicht erreichen können.
Wieso wird das dann so selten eingesetzt?
Nolte: Der Zugang ist extrem limitiert: Es muss über ein Betäubungsmittel-Rezept verordnet werden und die Krankenkassen übernehmen die Kosten nur in seltenen Fällen. Aus meiner Sicht ist es nicht nachvollziehbar, dass Dronabinol einen anderen Status hat. Es ist eine effektive, gut verträgliche Substanz und eine Bereicherung im Spektrum eines Schmerztherapeuten und Palliativmediziners. Es gibt keinen Grund, dass wir darüber nicht genauso verfügen können wie über Opioide, Antiepileptika oder Antidepressiva.