Kleve. Der berühmte Bildhauer hatte mit Kleve wenig am Hut. Nach seinem Tod wurde er quasi adoptiert. Was nicht nur an der gemeinsamen Liebe zu Kühen liegt.

In seiner Lebensgeschichte spiegelt sich die Geschichte unseres Landes. Und in der Ausstellung des „Mataré-Kosmos“ im Museum Kurhaus macht die Stadt Kleve den Künstler aus Burtscheid bei Aachen posthum gewissermaßen zu seinem Ehrenbürger. Nachdem sie ihn vorher verstoßen hatte. Aber der Reihe nach: Ewald Mataré, Sohn aus gutem Hause, geboren 1887, beschließt Künstler zu werden. Und macht sich auf ins Babylon Berlin der Weimarer Republik, wird nach langen Lehr-, Hunger- und Wanderjahren tatsächlich endlich 1932 eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf. Läuft, beim Ewald.

Skulptur von Ewald Mataré aus dem Jahr 1934, wieder aufgestellt hinter der  Stiftskirche. Foto aus 2024
Der Gefallene. Die umstrittene Skulptur von Ewald Mataré aus dem Jahr 1934, wieder aufgestellt hinter der Stiftskirche in Kleve. © privat | Stephan Hermsen

Für sieben Monate. Dann schmeißen ihn die Nazis raus. Entartete Kunst ist es, was der Mann da formt. Und die Stadt Kleve, die ihm Chance gibt, ein Kriegerdenkmal zu bauen, ist auch enttäuscht. Der Mann liefert einen Gefallenen. Im Wortsinn. Einen massigen Soldaten, langgestreckt, der nach dem Willen des Künstlers am besten halb im Boden versinkend. In seiner Brust, im Einschussloch, unter der Haut, die Eisernen Kreuze echter Soldaten. „Walfisch“ spotten die Klever über die massige Skulptur.

Schon der Enthüllung des Ehrenmals bleibt Mataré fern, die Stimmung ist feindlich. Zitat aus jener Zeit: „Wir haben in Kleve 23.000 Einwohner und ein Denkmal und einen, dem es gefällt. Den suchen wir noch.“

1937 werden seine Arbeiten in der Ausstellung zur entarteten Kunst gezeigt. Sein Denkmal in Kleve, es wird 1938 abgerissen und verbuddelt. Passende Gegend: „Hinter dem Gaswerk“. Auch Ewald Mataré taucht unter, lässt sich in Büderich (bei Meerbusch, nicht bei Wesel) nieder und hat wenig zu tun. Einige Pastoren halten ihn und seine Familie über Wasser. Mataré gestaltet Kirchen, Kreuzigungsgruppen, Kelche. Karge Jahre.

Sonja Mataré (1926-2020), fotografiert im Jahr 2005.
Sonja Mataré im Jahr 2005 im Atelier ihres Vaters Ewald-Mataré in Meerbusch-Büderich. © Neue Ruhr/Rhein Zeitung | Kurt Michelis

Ermöglicht ihm aber die erste Wiederauferstehung: Unbelastet nach dem Krieg soll er Leiter der Kunstakademie Düsseldorf werden. Doch Mataré lehnt ab, weil seine Pläne für ein neues Ausbildungskonzept unter Entfernung der regimenahen Lehrenden auf Widerstand stoßen. Seine Pläne kommen in der restaurativen Bundesrepublik nicht gut an. 1955 droht ihm gar der Entzug der Lehrerlaubnis, weil er einen Aufruf gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik unterzeichnet. Der Bundespräsident interveniert hinter den Kulissen, Mataré bliebt. Mittlerweile erhält er weltweit jene künstlerische Anerkennung, um die er so lange ringen musste.

Kuratorin Valentina Vlasic auf der liegenden Kuh von Ewald Matare im Museum Kurhaus Kleve im Oktober 2024..
Kuratorin Valentina Vlasic auf der liegenden Kuh von Ewald Matare im Museum Kurhaus Kleve. Auch Museumsdirektor Harald Kunde wie auch sein Vorgänger Guido de Werd haben sich gleichzeitig im Rodeo auf dem Rindvieh versucht. Und Besucherinnen und Besucher dürfen das ebenfalls tun,. © privat | Stephan Hermsen

Die Aufträge fliegen ihm zu, 1947 gestaltet er die Domtüren an der Südseite des Kölner Doms, in Essen setzt er 1956 seinen Engel auf das Bischofshaus. Gestaltet Gedenkstätten für den Winterkrieg am Polarkreis in Finnland, in Hiroshima, Sydney. 1965 ist er im Gespräch mit den USA, er soll in Washington ein Portal für das Kennedy-Center gestalten. Er sagt das Gespräch mit dem Botschaftsrat ab, fühlt sich nicht gut. Wenige Tage, am 29. März, stirbt er.

Matarés zweite Wiederauferstehung und die posthume Liebe Kleves zu seiner Kunst beginnt zwölf Jahre später. Beim Straßenbau stößt ein Bagger auf Basaltbrocken. Ein Tankwart alarmiert die Stadt, unter anderem kommt der junge Museumsdirektor des Heimatmuseums „Haus Koekkoek“. Guido de Werd weiß, woran die Baggerschaufel kratzt. Er reagiert: Matarés Krieger wird freigelegt. Bekommt wieder einen – halbwegs – ehrenvollen Platz, hinter der Stiftskirche in der Klever Oberstadt.

De Werd nimmt Kontakt auf zur Tochter des Künstlers, Sonja Mataré. Der junge Museumsmacher und sie, Goldschmiedin, finden einen guten Draht zueinander. Sie vermacht der Stadt Kleve, einen Teil des Nachlasses. Mit der Auflage, ihrem Vater ein Museum zu bauen. Zum Glück gibt es das alte, verfallende Kurbad. Kaum genutzt, außer als Möbellager und von einem Künstler aus der Nachbarschaft namens Beuys, der dort ein Atelier hatte.

der engel auf dem bischofshaus am burgplatz in essen am 15. märz 2006
Der Engel von Ewald Mataré aus dem Jahre 1956 auf dem Bischofshaus am Burgplatz in Essen. Im Hintergrund das Rathaus . © FFS | Frank Vinken

Beuys bekommt vom Land NRW das Schloss Moyland spendiert, Kleve als Ausgleich das Museum Kurhaus, das auch den Ehrentitel „Ewald Mataré Sammlung“ trägt. 1997 soll Sonja Mataré nicht so recht amüsiert gewesen sein, dass das Haus die Werke ihres Vaters mit moderner Kunst kontrastiert. Insofern müsste sie hier und heute glücklich sein: Zum ersten Mal hat das Werk ihres Vaters das gesamte Museum erobert. Das ganze Haus ist ein „Mataré Kosmos“, erzählt die Lebensgeschichte, baut, mit den Original-Relikten, sein Atelier aus Meerbusch-Büderich von der Zigarrenkiste bis zur Werkbank nach, zeigt Aquarelle (seine privateste Kunst, wie er einmal sagte), Drucke, Skizzen, Tagebücher und natürlich: Skulpturen.

Ewald Mataré in seinem Atelier. Foto aus einem Film über Leben und Werk des Künstlers.
Ewald Mataré in seinem Atelier. Foto aus einem Film über Leben und Werk des Künstlers.. © NRZ

Tiere und dabei vor allem Kühe haben es Ewald Mataré zeitlebens angetan. „Egal ob sie steht, liegt oder frisst, die Kuh strahlt immer eine innere Ruhe und Gelassenheit aus“, hat er einmal gesagt. Die liegende Kuh, im Original 1929 entstanden, gibt es sogar nachgebaut: Aus Schaumstoff, frisch überzogen, liegt das heimliche Wappentier des Niederrheins im Museum Kurhaus und lässt sich erklimmen. Guido de Werd, Matarés Wieder-Entdecker und Klever Adoptivvater, hat auch schon darauf gesessen. Gemeinsam mit dem heutigen Museumsleiter Harald Kunde. Und auch Besucher*innen sind herzlich eingeladen zum Rendezvous und Rodeo mit Leben und Werk dieses einzigartigen Künstlers.

„Kosmos Mataré“: Das Kurhaus und sein Ewald

Die Ausstellung „Kosmos Mataré“ ist bis zum 9. März im Museum Kurhaus zu sehen. (di-so 11-17 Uhr, nicht am 24-25. und 31. Dezember, am 1. Januar, Eintritt: 10 Euro).

Zum Begleitprogramm gehören Kataloge und Bücher. Am Mittwoch, 4. Dezember 19.30 Uhr, führt Direktor Harald Kunde persönlich durch die Ausstellung, am 15. Januar spricht er mit Martin Polotzek, Leiter des benachbarten Tiergartens, über die Tierskulpturen Matarés.

Weitere Infos: www.mkk.art