NRW. Sie haben einen unausgeglichenen Haushalt und holprige Straßen. Städte in NRW, die den Solidarpakt II nach Bedürftigkeit und nicht nach Himmelsrichtung verteilt wissen wollen. Hoffnung gibt es für sie kaum - obwohl der Bund helfen könnte.

Waltrop, Gelsenkirchen und Duisburg sind Städte, die nicht im Geld schwimmen. Und das ist sehr positiv ausgedrückt. Wie viele andere Städte in Nordrhein-Westfalen kämpfen sie mit einem unausgeglichenen Haushalt, Waltrop gar hat einen Sparkommissar, der einen strengen Blick auf die Finanzen hat.

Verwendung der Solidarpakt-Gelder

Fast jeder Bericht des Bundesrechnungshofs kritisiert: Gelder aus dem Solidarpakt II werden in den ostdeutschen Bundesländern in den Abbau der Verschuldung oder in kostspielige Verwaltungen gesteckt – anstatt in die eigentlich vorgesehene Infrastruktur.

Eine Kontrolle scheint schwierig. RWI-Experte Rainer Kambeck ruft dafür weiterhin die Rechnungshöfe, aber auch die Bundesregierung und die Wissenschaft in die Verantwortung. Jedenfalls, wenn es um Verwaltungsapparate geht.

Kambeck plädiert gleichzeitig aber auch dafür, den ostdeutschen Ländern möglichst viel Spielraum bei der Verwendung der Gelder zu lassen. „Es macht keinen Sinn, dass die Länder mit den Geldern Schulen bauen, allerdings keine Lehrer einstellen dürfen“, sagt Kambeck. „Das ist Irrsinn.“

Bürgermeister und Kämmerer fordern seit langem, dass die Mittel aus dem Solidarpakt II, einem Vertrag zwischen Bund und Ländern, die sich verpflichten, insgesamt 156 Milliarden Euro von 2005 bis 2019 an die ostdeutschen Bundesländer zu zahlen, auf die gesamte Republik verteilt werden. Und dass die betroffenen westdeutschen Kommunen weniger in den Pakt einzahlen müssen. „Bei uns brechen ganze Industriezweige weg, wir müssen den Strukturwandel bewältigen und sogar Kredite für die Zahlungen an die ostdeutschen Bundesländer aufnehmen: Es ist doch Irrsinn, dass wir als bedürftige Stadt andere bedürftige Städte finanzieren müssen“, sagt Martin Schulmann, Sprecher von Gelsenkirchen. Etwa 178 Millionen Euro von 1991 bis 2005 zahlte die von Arbeitslosigkeit gebeutelte Stadt in den Solidarpakt II.

Vertrag bindet Bund und Länder an Finanzhilfen

Auf einen Sinneswandel bei der Bundesregierung können die Städte in NRW allerdings nicht hoffen. Am Solidarpakt II werde, wie vereinbart, bis 2019 festgehalten. Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch am vergangenen Tag der Deutschen Einheit. Schon aus Gründen der Solidarität. Aber auch der geschlossene Vertrag bindet Bund und Länder an die zugesagten Finanzhilfen.

Doch eine Hintertür gibt es. „Man kann durchaus überdenken, was damals vereinbart worden ist“, sagt Dr. Rainer Kambeck, der im RWI Essen (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung) den Kompetenzbereich „Öffentliche Finanzen“ leitet. Von den 156 Milliarden Euro im Solidarpakt werden 100 Milliarden von den Ländern gestemmt, 50 Milliarden stammen aus dem Bundeshaushalt. „Und diese 50 Milliarden müssen nach Bedürftigkeit und auf zweckgebundene Förderprogramme verteilt werden“, sagt Kambeck. „Der Bund muss überprüfen, ob bereits mit weniger Geld die Förderziele im Osten erreicht werden können. Wenn ja, könnte er die Differenz einsparen oder die Mittel Städten in den alten Bundesländern zur Verfügung stellen, wenn sie momentan bedürftiger sind.“ Beispiel: Das schuldenfreie Dresden, das eine Wohnungsbaugesellschaft verkauft hat, scheint weniger Geld zu benötigen als die hoch verschuldeten Städte Gelsenkirchen, Duisburg oder Waltrop.

Neues Gemeindefinanzierungsgesetz in NRW

Doch eine Umschichtung der Gelder aus dem Solidarpakt wollen bis 2019 allem Anschein nach die Wenigsten. Selbst die NRW-FDP, die sich für eine Senkung sowie eine spätere Abschaffung des Solidaritätszuschlages einsetzt, will nicht am Solidarpakt rütteln und keine „billige Neid- und Verteilungsdiskussion“, wie es FDP-Generalsekretär Christian Lindner betont. Die Partei setze vielmehr auf ein neues Gemeindefinanzierungs-Gesetz für NRW, mit dem den Städten, die keinen ausgeglichenen Haushalt vorweisen können, kurzfristig geholfen wird. Das Gesetz befinde sich allerdings noch in der Vorbereitungsphase, so Lindner, der damit aber keine „Subventions-Mentalität“ herauf beschwören will. „Wir schnüren keine Finanzpakete für klamme Kommunen. Die müssen sich selbst anstrengen, das Land kann immer nur zwischenzeitlich eingreifen.“

Auf den Finanzausgleich zwischen den Städten in Nordrhein-Westfalen verweist auch Dr. Stefan Olbermann, Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Denn aufgeschnürt werden solle der Solidarpakt II nicht. Das gelte auch für die zugesagten überproportionalen Leistungen an die ostdeutschen Länder in Höhe von etwa 50 Milliarden Euro. „Die Gelder aus dem Solidarpakt II fließen ja nicht an einzelne Städte, sondern an die Länder“, sagt Olbermann. „NRW als Land ist aber nun wirklich nicht bedürftig.“

Deshalb, das schätzen die Bürgermeister und Kämmerer selbst realistisch ein, wird bis 2019 kein Geld aus dem Solidarpakt in den Westen Deutschlands fließen. Und das, obwohl der Duisburger Oberbürgermeister ein Instrument vorgeschlagen hat, dem sich viele anschließen können: Adolf Sauerland plädiert für ein bundesweites Ranking, das anhand der Parameter „Arbeitslosenquote, Zahl der Beschäftigten, Steuereinnahmen und Verschuldung“ die Bedürftigkeit aller Städte – in West und Ost – darstellt und als Grundlage für die Geldverteilung dient. Das Konzept wird aber zunächst in der Schublade bleiben müssen.

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