NRW. Die NRW-FDP will den Solidaritätszuschlag senken, später sogar ganz abschaffen. So viel Zeit gibt sich der Bund der Steuerzahler nicht. Er will schon bald wieder gegen die "stinknormale Dauersteuer" vor Gericht ziehen. Finanzexperten stimmen zu.

Die FDP hat mal wieder die Nase voll vom Solidaritätszuschlag, kurz auch Soli genannt. Von einer Steuer, die den Bürger zusätzlich belastet und in jedem Monat direkt vom Einkommen abgezogen wird. Als steuerliches Sofortprogramm fordert die Landespartei daher, den Soli umgehend zu senken – und zwar auf das Niveau, das wirklich für die Finanzierung des Aufbaus Ost gebraucht wird.

„Nur noch 60 Prozent des Soli-Aufkommens werden für den Solidarpakt II benötigt“, rechnet FDP-Generalsekretär Christian Lindner vor. „Daher soll die Differenz von 40 Prozent dem Steuerzahler zurückgegeben werden.“ De facto soll der Solidaritätszuschlag von derzeitig 5,5 auf 3,3 Prozent sinken – und mittelfristig sogar ganz auslaufen.

Soli auch für ersten Golfkrieg verwendet

Ein Vorschlag, der selbst von Finanzexperten gut geheißen wird. Denn die angepriesene Solidarität mit den ostdeutschen Bundesländern, die der Name „Solidaritätszuschlag“ vorgibt, wird gar nicht erreicht. Schließlich ist der Soli eine Steuer, die auch von den Ostdeutschen gezahlt wird, in den Bundeshaushalt fließt, und nicht zweckgebunden ist. Was soviel bedeutet wie: Die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag können auch für Zahlungen an die EU oder – wie schon geschehen – für den ersten Golfkrieg verwendet werden. Der Aufbau Ost ist damit nur eine Option unter vielen.

„Wenn der Soli gekürzt wird, hat das keine Auswirkungen auf den Solidarpakt II, auf den Aufbau Ost“, sagt Dr. Rainer Kambeck, der beim RWI Essen (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung) den Kompetenzbereich „Öffentliche Finanzen“ leitet. „Der Solidarpakt muss deswegen nicht gekürzt werden.“ Denn, und das ist das Entscheidende: Der Solidaritätszuschlag und der Solidarpakt II haben außer einer Namensähnlichkeit nicht viel miteinander zu tun. Der Solidarpakt II ist ein Vertrag zwischen Bund und Ländern, die sich verpflichten, insgesamt 156 Milliarden Euro von 2005 bis 2019 an die ostdeutschen Bundesländer zu zahlen. Finanziert werden muss der Solidarpakt aus dem allgemeinen Steueraufkommen, zu dem die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag eben nur einen kleinen Teil beitragen.

Ausgeglichener Haushalt statt Soli-Senkung

Aber anscheinend ist der Anteil doch so groß, dass das Bundesfinanzministerium nicht an den Solidaritätszuschlag heran will. „Unser Ziel ist ein ausgeglichener Haushalt 2011, und daher können wir uns aktuell keine Steuersenkungen erlauben“, sagt Dr. Stefan Olbermann, Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Er gesteht zwar ein, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen den Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag und den Ausgaben im Rahmen des Solidarpakts II gebe. Dennoch müssten ihm Soli-Gegner sagen, wie sie die finanzielle Lücke im Bundeshaushalt schließen wollen, wenn der Solidaritätszuschlag gesenkt oder gar abgeschafft würde. 2007 freute sich der Bund laut Steuerschätzung über Einnahmen von 12,1 Milliarden Euro.

Experten sind über die Ausfall-Lücke geteilter Meinung. Rainer Kambeck vom RWI betont, dass die Steuereinnahmen hoch genug seien. „Außerdem stehen Steuersenkungen eh’ im Raum, und da wäre die Abschaffung des Solis das Einfachste.“ Eine andere Finanzexpertin, die aber nicht genannt werden will, glaubt, dass der Bund ohne die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag nicht auskommt. Sie würde allerdings den Soli pro forma abschaffen und die Prozentpunkte der Einkommenssteuer zuschlagen. „Das schafft Transparenz und räumt mit dem Vorurteil auf, dass der Solidaritätszuschlag etwas mit dem Aufbau Ost bzw. der Solidarität mit dem Osten zu tun hat“, sagt sie. Die Möglichkeit, Einkommenssteuer und Soli zu verschmelzen, wollte auch der Sprecher des Bundesfinanzministeriums für die ferne Zukunft nicht ausschließen.

Gegenvorschläge

Der FDP, den Grünen und vor allem dem Bund der Steuerzahler reicht das nicht. Die NRW-FDP will über ihren Koalitionspartner versuchen, den Druck auf die CDU-Bundespartei so zu erhöhen, dass diese sich ebenfalls für eine Senkung des Solidaritätszuschlages einsetzt. Die Bundesgrünen wollen einen Teil des Zuschlags, der anonym in den Haushalt fließt, für Bildung oder Kinderbetreuung in Ost und West verwenden. Und der Bund der Steuerzahler will noch einmal juristisch gegen den Solidaritätszuschlag vorgehen.

„Aus zwei Gründen: Zum einen soll der Steuerzahler entlastet werden, zum anderen ist der Solidaritätszuschlag eine so genannte Ergänzungsabgabe, die nur kurzfristig angelegt sein darf“, sagt Reiner Holznagel, Bundesgeschäftsführer beim Bund der Steuerzahler. Mittlerweile gebe es den Solidaritätszuschlag aber – mit Unterbrechung – seit 1991. „Mit einer solchen Ergänzungsabgabe dürfen nur kurzzeitige Bedarfsspitzen wie die Wiedervereinigung abgetragen werden, sie darf nicht zur stinknormalen Dauersteuer werden.“

Die letzte Klage des Bunds der Steuerzahler hat das Bundesverfassungsgericht im Februar nicht zur Entscheidung angenommen. Ohne Begründung. Doch aufgeben will der Steuerzahler-Bund nicht. Mit einem neuen Steuerbescheid aus dem Jahr 2007 oder 2008 will man noch einmal vor das höchste Gericht ziehen. „Dann ist ja noch mehr Zeit vergangen, und der Soli ist noch weniger nur kurzfristig erhoben worden“, beschreibt Holznagel die Motivation einer erneuten Klage.

Diese Ankündigung nimmt Stefan Olbermann, Sprecher des Bundesfinanzministeriums, gelassen: „Der Soli ist nicht als dauerhafte Abgabe geplant.“ Aber was es heißt, eine Abgabe nur kurzfristig zu erheben, sei juristisch nirgendwo definiert.

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