Tokio. Der Betreiber des Unglücksreaktors von Fukushima, Tepco, soll die Ermittlungen zur Atomkatastrope behindert haben. Zu diesem Schluss kommen unabhängige Experten eines Untersuchungsausschusses. Sie werfen Tepco unter anderem vor, das Ausmaß der Schäden vertuscht zu haben.

Ein von der japanischen Regierung eingesetzter Untersuchungsausschuss hat schwere Vorwürfe gegen den Fukushima-Betreiber Tepco erhoben. Die Rede ist von Behinderung der Ermittlungen nach dem Reaktorunfall und versuchter Vertuschung über das wahre Ausmaß der Schäden im Atomkraftwerk. Auch mit dem Krisenmanagement der Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Naoto Kan gingen die zehn unabhängigen Experten hart ins Gericht: Die Schwere des Unglücks sei heruntergespielt, die Öffentlichkeit nur scheibchenweise und noch dazu zeitverzögert informiert worden. Der amtierende Regierungschef Yoshihiko Noda, dem der Abschlussbericht am Montag ausgehändigt wurde, gelobte, es künftig besser zu machen.

"Wir nehmen ihn (den Bericht) ernst", erklärte Noda in einer ersten Stellungnahme. Er werde die Ergebnisse und Empfehlungen für die Umstrukturierung der Atomaufsichtsbehörde nutzen, die ab September ihre Arbeit aufnehmen soll. Die NISA, die direkt dem Wirtschaftsministerium unterstellt war, soll unabhängiger und effizienter werden. Sie wurde in dem 450 Seiten starken Abschlussbericht der Experten als zahnlose Behörde beschrieben, die die ihr zugewiesene Rolle als Aufsichtsorgan nicht erfüllt habe.

Die Experten werfen Tepco Herunterspielen des Tsunami-Risikos vor

Die Regierung und der Atomkraftwerksbetreiber Tepco hätten die Krise nicht aus Unkenntnis über die Gefahren eines möglichen Tsunamis zu verhindern versäumt. Vielmehr wollten sie nicht Zeit und Geld in Vorsichtsmaßnahmen investieren, weil sie die Gefahr nicht als real wahrgenommen hätten. Tepco habe die Regierung sogar aufgefordert, die Wahrscheinlichkeit eines Tsunamis in der Region in einem Bericht über ein Erdbebenrisiko zu untertreiben.

Das schlechte Krisenmanagement nach dem Erdbeben und Tsunami im März vergangenen Jahres habe zu verstärkter Einmischung Kans und seines Kabinetts in die Belange der Kraftwerksbetreiber geführt, das das Chaos aber nur verschlimmert habe.

Der Untersuchungsausschuss spricht von Verschleierungstaktik der Regierung

Die Experten warfen der Regierung Kans vor, der Öffentlichkeit wichtige Informationen vorenthalten und die Katastrophe heruntergespielt zu haben, wodurch sie die Bevölkerung erhöhten Gesundheitsrisiken ausgesetzt und Misstrauen in die Behörden geschürt hätten. Nachdem einem NISA-Vertreter im März herausgerutscht war, dass es zu einer Kernschmelze in den Reaktoren kommen könne, habe die Behörde alle Mitteilungen von Kans Büro absegnen lassen müssen. Die NISA bestritt noch Monate später, dass es zu Kernschmelzen gekommen sei.

Tepco habe unter anderem unliebsame Daten einer Computeranalyse über das mögliche Ausmaß der Schäden im Innern der Reaktoren zurückgehalten. In einer Anhörung erklärten Tepco-Vertreter nur, die Simulation sei mangelhaft gewesen. Ein weiterer Versuch, die Lage in den Reaktoren nachzustellen, sei nicht unternommen worden. Bei Befragungen von Tepco-Mitarbeitern hätten diese zwar Kenntnisse über Notfallausrüstung gezeigt, diese aber nicht bei der Krisenbewältigung eingesetzt. Die Arbeiter seien nicht angeleitet worden, eigenständig zu denken, ihnen habe es an einer flexiblen und proaktiven Denkweise gemangelt, die beim Krisenmanagement vonnöten sei.

Die Sicherheitstechnik des Unglücksmeiler war offenbar ungenügend

Wie schon in anderen Berichten kamen die Experten auch in dem am Montag vorgelegten zu dem Schluss, dass sowohl Tepco als auch die Aufsichtsbehörden es versäumt hätten, die Anlage bei der Sicherheit aufzurüsten und internationale Standards zur Risikominimierung einzuhalten, darunter die Gefahr schwerer Schäden durch Stromausfälle.

Atomkraft: Eine Chronologie in Ausschnitten

Das wegen eines Transformatorbrandes seit 2007 stillgelegte AKW Krümmel muss im Juli 09 nach nur wenigen Tagen Aktivität - und mehreren Störfällen in dieser Zeit - wieder vom Netz: Eine Notabschaltung beeinträchtigt diesmal auch die Stromversorgung in Hamburg.
Es beginnt eine neuerliche Diskussion um die riskante Technologie.
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Das wegen eines Transformatorbrandes seit 2007 stillgelegte AKW Krümmel muss im Juli 09 nach nur wenigen Tagen Aktivität - und mehreren Störfällen in dieser Zeit - wieder vom Netz: Eine Notabschaltung beeinträchtigt diesmal auch die Stromversorgung in Hamburg. Es beginnt eine neuerliche Diskussion um die riskante Technologie. Foto: ddp © ddp
Erst durch einen jahrelang verschwiegenen Wassereinbruch kommt das Atommülllager Asse II 2008 in die Schlagzeilen; inzwischen findet sich sogar Sprengstoff zwischen den ca. 126.000  Atommüllfässern.
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Erst durch einen jahrelang verschwiegenen Wassereinbruch kommt das Atommülllager Asse II 2008 in die Schlagzeilen; inzwischen findet sich sogar Sprengstoff zwischen den ca. 126.000 Atommüllfässern. Foto: ddp © ddp
Von einem GAU bislang verschont können auch deutsche Kernkraftwerke mit imposanten Zahlen aufwarten: Biblis A und B kamen bis zum Jahr 2007 seit Inbetriebnahme auf zusammen 789
Von einem GAU bislang verschont können auch deutsche Kernkraftwerke mit imposanten Zahlen aufwarten: Biblis A und B kamen bis zum Jahr 2007 seit Inbetriebnahme auf zusammen 789 "meldepflichtige Ereignisse". Foto: ddp © ddp
Zwar waren fehlerhafte Dübel nicht die Ursache für die Panne in Brunsbüttel im Juni 2007; da aber, wie sich danach herausstellte, wohl auch die Hälfte aller begutachteten Dübel fehlerhaft waren, steht der Reaktor wesentlich länger still als geplant.
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Zwar waren fehlerhafte Dübel nicht die Ursache für die Panne in Brunsbüttel im Juni 2007; da aber, wie sich danach herausstellte, wohl auch die Hälfte aller begutachteten Dübel fehlerhaft waren, steht der Reaktor wesentlich länger still als geplant. Foto: AP © AP
Was hat IKEA mit Atomkraft zu tun? Nichts! Allerdings ist IKEA ein Schwedisches Unternehmen, genau wie: VATTENFALL. Und wäre beim Störfall im Juni 2006 auch die letzten 2 von 4 Notstromaggregaten ausgefallen, wäre es im Reaktor von Forsmark zum GAU gekommen; und es hätte Direktimport nach Deutschland gegeben, nur keine Möbel, sondern Radioaktivität.
Was hat IKEA mit Atomkraft zu tun? Nichts! Allerdings ist IKEA ein Schwedisches Unternehmen, genau wie: VATTENFALL. Und wäre beim Störfall im Juni 2006 auch die letzten 2 von 4 Notstromaggregaten ausgefallen, wäre es im Reaktor von Forsmark zum GAU gekommen; und es hätte Direktimport nach Deutschland gegeben, nur keine Möbel, sondern Radioaktivität.
Kurzschlüsse wie aktuell in Krümmel sind in deutschen Atommeilern keine Seltenheit: Auch das größte deutsche KKW in Gundremmingen konnte am 5.08.2004 einen Kurzschluss am Haupt-Generator vorweisen; eine Reaktorschnellabschaltung folgte.
Foto: ddp
Kurzschlüsse wie aktuell in Krümmel sind in deutschen Atommeilern keine Seltenheit: Auch das größte deutsche KKW in Gundremmingen konnte am 5.08.2004 einen Kurzschluss am Haupt-Generator vorweisen; eine Reaktorschnellabschaltung folgte. Foto: ddp © ddp
Der Unglücksreaktor in Tschernobyl. 
Obwohl in der weit entfernten Urkaine gelegen, hatte der GAU vom 26.04.1986 Auswirkungen bis nach Deutschland. Selbst heute müssen in Bayern erlegte Wildschweine auf Radioaktivität geprüft werden, weil sie Pilze fressen, die radioaktives Cäsium aus dem Boden anreichern.
1986 bewirkte der Unfall eine Zäsur in der Atompolitik. 
Foto: ddp
Der Unglücksreaktor in Tschernobyl. Obwohl in der weit entfernten Urkaine gelegen, hatte der GAU vom 26.04.1986 Auswirkungen bis nach Deutschland. Selbst heute müssen in Bayern erlegte Wildschweine auf Radioaktivität geprüft werden, weil sie Pilze fressen, die radioaktives Cäsium aus dem Boden anreichern. 1986 bewirkte der Unfall eine Zäsur in der Atompolitik. Foto: ddp © ddp WP
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Der "Schnelle Brüter" in Kalkar. Schon vor der geplanten Inbetriebnahme kam es 1984 zu einem Brand des Kühlmittels Natrium, ein Element, das sich bei Kontakt mit Wasser entzündet. Heute ist der Reaktor in Kalkar ein Vergnügungspark... Foto: Kurt Michelis © NRZ
Offiziell ein
Offiziell ein "Erkundungsbergwerk" zur "Ergebnis-offenen Erforschung der Tauglichkeit als Endlager" für radioaktiven Abfall wurde Gorleben tatsächlich schon seit Mitte der 1980er Jahre systematisch zum Endlager ausgebaut, ohne dass eine Eignung als Atommüll-Endlager überhaupt festgestellt gewesen wäre. © AFP
Mit dem beinahe-Gau in Harrisburg, in dem es schon zur Kernschmelze gekommen war,  im US-Amerikanischen AKW
Mit dem beinahe-Gau in Harrisburg, in dem es schon zur Kernschmelze gekommen war, im US-Amerikanischen AKW "Three Miles Island" am 28.03.1979 gerieten die Gefahren der Atomkraft das erste mal in den Blick der Öffentlichkeit. AFP PHOTO/DOE © AFP
Der erste in Europa bekannt gewordene schwere Störfall fand schon 1957 in Windscale in Großbritannien statt. Viele Störfälle später und nach enormer radioaktiver Verseuchung der Irischen See kam es zu einschneidenden Konsequenzen: Der Komplex wurde 1981 in
Der erste in Europa bekannt gewordene schwere Störfall fand schon 1957 in Windscale in Großbritannien statt. Viele Störfälle später und nach enormer radioaktiver Verseuchung der Irischen See kam es zu einschneidenden Konsequenzen: Der Komplex wurde 1981 in "Sellafield" umbenannt... © NRZ
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Der Ausschussvorsitzende Yotaro Hatamura sagte in einem Fazit, dass Japan "den Unfall als eine Mahnung der Natur betrachten sollte, dass die menschliche Denkweise fehlerhaft sein kann". "Wir dürfen dieses Desaster niemals vergessen und sollten weiterhin Lektionen daraus lernen", erklärte er. (dapd)