Berlin. . Guido Westerwelle wird 50 und hat den Zenit seiner Laufbahn bereits überschritten. Angela Merkel oder Helmut Kohl standen in dem Alter vor ihrer Kanzlerschaft. Mit viel Glück behält der FDP-Außenminister in den kommenden zwei Jahren wenigstens sein Amt.

Hin und wieder, so scheint es, drängt es ihn noch, sich einfach in Erinnerung zu bringen. So wie am vorletzten Freitag, als das Chaos in seiner Partei, der FDP, mit dem Ausgang des Mitgliederentscheids zur Euro-Rettung mal wieder ein fürs erste glimpfliches Ende genommen hatte.

Die Medienmeute, die das Foyer der Parteizentrale bevölkerte, hatte kurz nach Mittag bereits den Auftritt eines erleichterten Philipp Rösler erlebt. Zudem alle möglichen Kommentare eingefangen von allen möglichen liberalen B-Promis. Man wartete jetzt eigentlich nur noch auf das Ende der Vorstandssitzung, als auf einmal ein Parteisprecher mit bedeutungsschwerer Miene sich unter die Menge mischte: Der Außenminister, raunte er, werde gleich etwas sagen.

Und tatsächlich, da kam er schon, Guido Westerwelle, der sich, von Sicherheitsleuten umringt, aus dem Sitzungssaal in den Pressepulk schob. Er beglückwünschte die Parteiführung zum Abstimmungserfolg, zeigte sich erfreut, dass die FDP auf europapolitisch solidem Kurs bleibe und verschwand wieder, sein Publikum mit einer großen Frage zurücklassend: Warum musste das jetzt nochmals gesagt werden? Und vor allem: Warum von ihm?

Westerwelle kann mit viel Glück noch knapp zwei Jahre im Außenamt verharren

Am Dienstag feiert Westerwelle seinen 50. Geburtstag. Das ist ein Alter, in dem Politiker den Zenit ihrer Laufbahn oft noch vor sich haben. Zum Beispiel Angela Merkel, Westerwelles langjährige Wunschpartnerin, war 51, als sie Kanzlerin wurde. Oder Helmut Kohl: Er kam mit 52 ins Spitzenamt. Wie es derzeit für Westerwelle aussieht, erschöpft sich seine politische Perspektive darin, mit viel Glück noch knapp zwei Jahre im Außenamt zu verharren.

„Wie heißt es so schön. 40 ist das Alter der Jugend, 50 ist die Jugend des Alters“, kokettierte Westerwelle kürzlich mit seinem bevorstehenden Geburtstag. Wie man sich eben so tröstet, wenn ein 50. Lebensjahr zu Ende geht, das in dieser Biographie gewiss eines der verflixtesten gewesen ist. Es war das Jahr, in dem Westerwelle einem staunenden Publikum demonstrierte, wie blitzartig und rückstandsfrei man aus dem Rampenlicht in der politischen Versenkung verschwinden kann.

Dabei war zu Beginn dieses Jahres Westerwelle zwar bereits ein FDP-Chef auf Bewährung, aber er durfte noch hoffen. Mit dem überraschenden Erfolg bei der Hamburg-Wahl im Februar schien die Krise der Partei und ihres Vorsitzenden sogar schon überwunden. Doch dann folgten im März drei verheerende Wahlschlappen, und die Liberalen entschlossen sich zu einer Art Putsch mit angezogener Handbremse: Westerwelle musste den Sitz des Parteichefs und des Vizekanzlers räumen, nicht aber das Außenamt. Sein Nachfolger Rösler beließ es dabei, ihn in diesem Amt bei Bedarf öffentlich zu demütigen. Weniger wohl aus boshaftem Kalkül als aus Tölpelhaftigkeit.

Denn das hat sich inzwischen gezeigt: Die Neuen können es nicht besser. Umso größer bleibt das Rätsel der einzigartigen politischen Lebensleistung Westerwelles, eine Partei von ganz unten nach ganz oben und dann zügig wieder nach unten gebracht zu haben. Als er 1994 Generalsekretär wurde, ging es es FDP nicht viel besser als heute wieder. Unter seiner Ägide erlebte sie eine Erfolgsserie, gipfelnd 2009 im besten Bundestagswahlergebnis ihrer Geschichte. Ein Höhenrausch erfasste die Liberalen.Wen die Götter strafen wollen, den schlagen sie mit Blindheit, ist das Funktionsprinzip der klassischen griechischen Tragödie. Der Fall Westerwelles lässt vermuten, dass es solche Götter immer noch gibt.