Berlin. “Eine Partei zerlegt sich selbst“, lautete ein trauriger Kommentar der Liberalen. Erst wurde Parteichef Guido Westerwelle wegen schlechter Umfrage- und Wahlergebnisse gestürzt. Im Dezember folgte mit dem überraschenden Rücktritt von FDP-Generalsekretär Christian Lindner der vorläufige Höhepunkt des FDP-Sinkflugs. Die “Boygroup“ um Parteichef Philipp Rösler ist gescheitert.

Der Eindruck ist verheerend: Unterm Strich hat der Führungswechsel den Liberalen nichts gebracht, sondern sogar Wählerzuspruch gekostet. Verharrte die FDP zu Jahresbeginn mit Parteichef Guido Westerwelle noch bei fünf Prozent, so lag die Zustimmung Ende 2011 unter Führung von Philipp Rösler um die drei Prozent.

"Eine Partei zerlegt sich selbst", lautete dazu ein trauriger Kommentar aus den Reihen der Freidemokraten. Der überraschende Rücktritt von FDP-Generalsekretär Christian Lindner festigte noch den Eindruck einer zerrissenen Partei.

Dabei startet die FDP nicht einmal schlecht ins Jahr 2011. Außenminister Guido Westerwelle besteht auf einer Abzugsperspektive für die deutschen Truppen in Afghanistan, am Jahresende beschließt das Kabinett ein solches Mandat . Und Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) rät den Deutschen, trotz Euro-Krise mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken.  Mit Erfolg, wie Wirtschaftsdaten zeigen.

Rainer Brüderle im April 2010. Damals war er noch Wirtschaftsminister und gut gelaunt.
Rainer Brüderle im April 2010. Damals war er noch Wirtschaftsminister und gut gelaunt. © imago | imago

Der Generalsekretär schließlich feilt über Monate an einem neuen Grundsatzprogramm, mit der die FDP ihre neoliberale Grundnote abstreifen will. Und mit der ersten Wahl des Jahres, der Bürgerschaftswahl in Hamburg, gelingt den Liberalen der Wiedereinzug in ein schon abgeschriebenes Landesparlament.   Da hält Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) Westerwelle, der den Liberalen bei der Bundestagswahl 2009 ein Traumergebnis bescherte, für den besten FDP-Chef aller Zeiten.

Absturz von Guido Westerwelle

Doch es rumort in den FDP-Landesverbänden. Sie hören nicht auf, dem Parteichef und Außenminister Schuld für schlechte Umfragewerte der Partei zu geben. Unter dem Titel "Jetzt erst recht" ruft die damalige liberale Boy-Group mit Lindner, Niedersachsens FDP-Landeschef und Bundesgesundheitsminister Rösler sowie dem FDP-Landesvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen, Röslers Parlamentarischen Staatssekretär Daniel Bahr, zu einem Ende der innerparteilichen Personaldebatten auf, weil diese den erforderlichen "Erneuerungsprozess" gefährdeten. Vergeblich, wie sich zeigt.

Nach den schlechten Wahlergebnissen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gewinnt die Führungsdebatte in der FDP rasch an Fahrt. Im April verkündet Westerwelle den für ihn wohl schmerzlichsten Schritt seines politischen Lebens: Auf dem Parteitag in Rostock will er nach zehn Jahren als Vorsitzender nicht noch einmal antreten.  Rösler wird Mitte Mai mit satten 95 Prozent zum Nachfolger gekürt. Er kündigt an, ab jetzt zu "liefern". Die Liberalen jubeln.

Lindner-Rücktritt offenbart Zerwürfnis an der Spitze

Nur wenige Monate später macht sich in der FDP Katerstimmung breit. Die dritte Kabinettsumbildung der schwarz-gelben Bundesregierung im Mai mit dem Wechsel von Rösler, dem Abschied von Brüderle und dem Aufstieg von Bahr bringt kaum etwas. Auch die Debatte über die politische Zukunft von Westerwelle wegen dessen Libyen-Kurs ist nicht einzudämmen. Auf der Klausurtagung in Bergisch Gladbach ist im Herbst ein Putsch gegen die einstige Führungsfigur gerade noch mal abzuwenden.

Trauriger Tiefpunkt wird im Dezember der überraschende Rücktritt von Linder als Generalsekretär. Über die Gründe kann nur spekuliert werden, er selbst nennt keine. Doch ist eine Zerrüttung der liberalen Führungsmannschaft unübersehbar. Und der wegen seiner mangelhaften Form umstrittene Euro-Mitgliederentscheid hinterlässt bei zahlreichen Parteimitgliedern einen faden Beigeschmack: "Wir schaffen uns gerade ab", unkt ein Liberaler am Ende des Jahres. Die Parteispitze ruft derweil zu neuer Geschlossenheit auf.

Vielleicht sollten die Freidemokraten auf einen hören, der alles schon selbst einmal durchgemacht hat: Horst Seehofer von der CSU. Er warnte den Koalitionspartner schon vor Monaten: "Erst kommt der Erfolg, dann schleichen sich Fehler ein, dann beginnt die Suche nach Sündenböcken. Und am Ende kommt die Selbstfindungsphase." Im Fall der FDP - schon verspottet als "Fast Drei Prozent" - könnte sich das zum Untergangsszenario auswachsen. (dapd)

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