Essen. . Abgefackelte Autos machen nicht nur die Nächte in Berliner Straßen hell. Nordrhein-Westfalens Polizei meldet immer öfter Brandstiftung an Kraftfahrzeugen. Im Ruhrgebiet ist Bochum ein Schwerpunkt. Die Motive der Täter sind nicht unbedingt politisch.
Im ganzen Jahr 2006 brannten 93 Autos in NRW. Ein Jahr später waren es 139. 2008 zählte die Kripo schon 210 Brandstiftungen, 2009 dann 240 und im letzten Jahr 309, der bisherige Höchststand. Alleine im Ruhrgebiet waren es zuletzt zwischen 80 und 90 Fahrzeuge im Jahr, die in Flammen aufgingen. Viel deutet darauf hin, dass es am Ende des Jahres 2011 landesweit noch weit mehr Fälle gegeben haben wird.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) spricht von einem „Phänomen“. „Die Landesregierung nimmt die aktuelle Entwicklung der Brandstiftungen an Kraftfahrzeugen sehr ernst“, sagt er. Die Zahlen, die sein Ministerium gesammelt und jetzt dem FDP-Landtagsabgeordneten Ralf Witzel zugeleitet hat, deuten auf einen besorgniserregenden Trend.
Spezialisten für verbrannte Autos
Die Polizeidirektionen bilden so genannte BAO’s – „besondere Aufbauorganisationen“ mit dem Ziel, betroffene Räume und Objekte durch offene und verdeckte polizeiliche Maßnahmen zu schützen und Tatverdächtige zu ermitteln. In Bochum zum Beispiel kümmert sich das 11. Kommissariat um die Vorgänge. Hier arbeiten Experten für Brandsachenermittlungen. Verbrannte Autos werden nicht mehr „so nebenher“ bearbeitet.
Bochum hat ein Problem. Denn innerhalb des Ruhrgebiets liegt es in der Statistik der Autobrandstiftungen an erster Stelle. 16 Vorfälle gab es hier 2010, in Essen 14, in Recklinghausen 12, zwischen vier und elf in Duisburg, Gelsenkirchen und Dortmund. Auch im Vorjahr sah es ähnlich aus. Zudem führt die Opel-Stadt auch bei den Sachbeschädigungen von Autos die Tabelle an. Zwischen 3000 und 4000 pro Jahr werden hier gezählt. Zum Vergleich: In Duisburg waren es 2010 etwa 1800 Fälle.
Nur jeder vierte Fall wird gelöst
Die Aufklärungsquote ist im ganzen Land recht niedrig. Nur jeder vierte Fall eines abgefackelten Autos kann am Ende auch gelöst werden. So tappen die Fahnder - anders als vielleicht ihre Kollegen in Hamburg oder Berlin, wo alleine 1100 Linksextreme im Visier der Polizei sind - im Dunkeln. Weder über Täter noch über ihre Motive herrscht Klarheit.
Dass es die Bochumer so hart trifft, kann Zufall sein, und auch „eine Szene wie in Berlin finden wir hier nicht“, sagt ein Sprecher der Kreispolizeibehörde. Politische Motive wie bei den Anschlägen auf die Bahn in der Bundeshauptstadt in dieser Woche könnten weitgehend ausgeschlossen werden – auch, weil die Zielobjekte der Brandstifter oft Mittelklasse- oder gar Kleinwagen sind. Luxus als Wut-Auslöser fehlt also. „Eher spielt vielleicht Frustration bei den Tätern eine Rolle“.
Versicherungsbetrug kann nicht ausgeschlossen werden
Nachbarschaftskonflikte und Versicherungsbetrug seien nicht auszuschließen ebenso wenig wie Vandalismus „durch eine Vielzahl unterschiedlicher Tätergruppen“, glaubt Frank Richter, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Land. Er bestätigt die Einschätzungen der Bochumer Kollegen: „Politisch motivierte Straftäter hinterlassen in der Regel Bekennerschreiben. Das gibt es in NRW bislang nicht“.
Wie also geht es weiter? Einfach zugucken? Die sozialen Brennpunkte stärker beobachten, wie es FDP-Mann Witzel in seiner Landtagsanfrage indirekt empfiehlt? Die Bochumer Polizei weist auf eine Besonderheit bei der Auto-Brandstiftung hin: Zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Täter am Fahrzeug den Brand legt und dem Brandausbruch können wertvolle Minuten vergehen. Er ist dann um die nächste Straßenecke verschwunden. „Dennoch: Ja. Wir brauchen dringend Zeugenaussagen. Wir können hier nur an alle appellieren, sich zu melden, wenn sie etwas Auffälliges sehen“, heißt es in der Kreispolizeibehörde.
GdP-Chef Richter sieht dagegen „alle Hoffnungen, die Polizei müsse nur nachts Streife laufen, um das Problem zu lösen“, als „verfrüht“ an – „abgesehen davon, dass ihr dazu vorne und hinten das Personal fehlt“. Eher setzt er auf „moderne Fahndungsmethoden“. Richter: „Wenn die Handydaten von Verdächtigen für uns zugänglich wären, wären wir bei der Verfolgung der Täter schon viel weiter“. Aber das sei ja bisher am Widerstand der FDP gegen die Vorratsdatenspeicherung gescheitert.