Essen. Traurige Bilanz: In keinem Bundesland florieren Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung so sehr wie in Nordrhein-Westfalen. 2010 ermittelte die Polizei hier in 130 Verfahren von bundesweit 470.
Die Vorgänge um die Prostitution in der Dortmunder Nordstadt sind kein Einzelfall. Nordrhein-Westfalen und das Ruhrgebiet werden zum beherrschenden Schwerpunkt von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung in Deutschland.
2010 ermittelte die Polizei hier in 130 Verfahren von bundesweit 470. 2009 waren es in NRW erst 115, im Jahr davor weniger als 70. Die Opfer – meist junge Frauen unter 20 - kommen vor allem aus Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Auch die Menschenhändler und Zuhälter stammen aus Südosteuropa.
14 Prozent der Opfer minderjährig
Das Bundeskriminalamt (BKA) spricht in einem neuen Lagebild eindeutig von „Ausbeutungsstrukturen“, obwohl sich nach dem EU-Beitritt der drei südosteuropäischen Länder deren Staatsangehörige hier legal aufhalten und „der Prostitution als selbstständiger Dienstleistung nachgehen können“, wie das BKA erklärt. Von den insgesamt 608 europäischen Tatverdächtigen in diesem Kriminalitätsbereich hatten 149 einen bulgarischen Pass und 96 einen rumänischen.
Unter den 520 ermittelten Opfern waren 119 Rumäninnen, 115 Bulgarinnen und 53 aus Ungarn. Rund 14 Prozent der Opfer sind sogar minderjährig. In 182 Fällen wurden die Frauen nachweislich mit Gewalt zur Prostitution gezwungen. Die Grauzone ist groß, viele Fälle können nicht geklärt werden. Die Ermittlungen gestalten sich nach BKA-Angaben außerordentlich schwierig.
Es gebe keinerlei Bereitschaft, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. „Diese Personen sind überwiegend in familiären oder ethnisch dominierten Sozialstrukturen eingebunden, haben keine Beziehungen zum deutschen Rechtsstaat und sind nicht bereit, gegen Täter aus eigenen Reihen auszusagen“. Opfer, die Aussagen gemacht hätten, kehrten oft noch während der Ermittlungen in ihre Heimatländer zurück und zögen vorher die Aussagen zurück.
Bundespolizei verstärkt Patrouillen
BKA-Vize Jürgen Stock fordert eine „verstärkte Präsenz“ der Polizei im Milieu, um „den Kreislauf aus Unterdrückung, Einschüchterung und Abhängigkeit“ zu durchbrechen. Entscheidend sei auch eine professionelle Opferbetreuung.
Die Bundespolizei hat unterdessen die Patrouillen in einem 30-Kilometer-Bereich um die Grenzen zu anderen EU-Staaten deutlich verstärkt, vor allem, um Schleusern, dem Menschenhandel und der illegalen Einwanderung auf die Spur zu kommen. Nach WAZ-Informationen stieg die Zahl der Kontrollen seit 2005 von damals einer Million auf inzwischen mehr als drei Millionen jährlich an. 2010 wurden dabei 13 000 illegale Grenzgänger ertappt.