Berlin/Nürnberg. Die Parteitagsbeschlüsse der CSU zur Europapolitik stoßen bei CDU, SPD und FDP auf scharfe Kritik. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, "Horst Seehofer ist der Oskar Lafontaine der CDU/CSU. Beide sind gegen die EU, beide geben haltlose Versprechen ab."
Die Parteitagsbeschlüsse der CSU zur Europapolitik stoßen bei CDU, SPD und FDP auf scharfe Kritik. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte am Wochenende, das «Theater» der CSU sei abenteuerlich. Wenn die CSU mehr Mitbestimmung in Deutschland bei Entscheidungen in der EU wolle, solle sie die Vorschläge der SPD zu Volksabstimmungen unterstützen. FDP-Chef Guido Westerwelle mahnte: «Das neue Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag darf nicht an den Wahlkampf-Interessen der CSU scheitern.» NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) warf der CSU vor, dem nationalen Interesse zu schaden.
Gabriel sagte dem «Hamburger Abendblatt» (Montagausgabe): «Die CSU will mehr Einfluss der Funktionäre. Wenn sie es ernst meint, dann soll sie keine Angst vor dem Volk haben und dem alten Gesetzentwurf der SPD für die Einführung von Plebisziten in unserer Verfassung zustimmen.»
Gabriel attackierte CSU-Chef Horst Seehofer auch persönlich und verglich ihn mit dem Chef der Linkspartei, Oskar Lafontaine. «Horst Seehofer ist der Oskar Lafontaine der CDU/CSU», sagte Gabriel. «Beide sind gegen die EU, beide geben haltlose Versprechen ab.» Während Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gipfeltreffen reise, sei Seehofer «mit seiner Europapolitik kurz davor, Deutschland international handlungsunfähig zu machen».
Laschet: CSU-Vorstellung sind absurd
NRW-Integrationsminister Laschet (CDU) warf der CSU vor, mit ihren europapolitischen Vorstellungen dem nationalen Interesse zu schaden. Es sei eine absurde Vorstellung, die Bundeskanzlerin und die deutschen Minister nur noch mit gebundenen Voten nach Brüssel reisen zu lassen, schrieb Laschet in der «Welt am Sonntag». Noch absurder sei die CSU-Forderung, die Landtage in die europäische Gesetzgebung einzubeziehen, wenn Länderkompetenzen berührt seien. «Das hieße, die Bundesregierung sogar an 16 vermutlich unterschiedliche Landtagsvoten zu binden», erklärte Laschet.
Kritik kam auch von FDP-Chef Guido Westerwelle. Er schrieb in einem Beitrag für «Bild am Sonntag»: «Wenn die Verhandlungsführer europäischer Regierungen in Brüssel vor jeder Einigung zuerst immer ihre Parlamente befragen müssen, droht das Ende der politischen Handlungsfähigkeit in Europa.» CSU-Chef Seehofer solle sich an seine Zeit als Landwirtschaftsminister erinnern, schlug Westerwelle vor. «Gerade er weiß recht gut, wie sehr man als deutscher Unterhändler in EU-Fragen auf Verhandlungsspielräume angewiesen ist, wenn man für Deutschland Gutes erreichen möchte.»
"Keine Nachhilfe in Sachen Europa nötig"
Der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, wies die Kritik am Sonntag zurück. «Niemand in der CSU will Deutschland auf EU-Ebene handlungsunfähig zu machen», erklärte er in München. Die CSU nehme vielmehr das jüngste Europa-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ernst. «Wir sorgen dafür, dass das Urteil nach Buchstaben und Geist ohne Abstriche umgesetzt wird.» Dazu gehöre auch eine stärkere demokratische Legitimation.
Ein «Weiter so wie bisher» könne es nach dem Urteil nicht mehr geben. Michelbach fügte hinzu: «Die CSU hat keine Nachhilfe in Sachen Europa nötig.» Mehr Kontrolle des Parlaments werde dem Europa-Gedanken gut tun. Dies sei weder «verrückt, noch illusionär oder völlig unpraktikabel».
SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier forderte mit Blick auf die unionsinternen Differenzen in der Steuer- und Europapolitik im ZDF-Sommerinterview Kanzlerin Angela Merkel zu einer Klarstellung auf.
Die CSU fordert als Konsequenz aus dem Urteil des Verfassungsgerichts zum EU-Reformvertrag eine Stärkung der Rechte von Bundestag und Bundesrat in EU-Angelegenheiten und will auch Volksabstimmungen «bei wichtigen Fragen zu Europas Zukunft» durchsetzen. (ap)