Essen. . In den Sommerferien stehen Eltern in jedem Jahr vor demselben Problem: Wo bleibt das kleine Kind, während sie arbeiten gehen? Ohne Omas oder Freunde geht es oft nicht. Besonders problematisch wird es, wenn der Kindergarten Betriebsferien macht, wenn die Eltern keinen Urlaub bekommen.

Das, was Familie D. gerade wagt, muss man wohl ein Experiment nennen. Zwei Wochen lang passt Lena, die Dreizehnjährige, auf ihre sechsjährige Schwester Rebecca auf, während die Eltern beide arbeiten gehen. Er, ein Verlagsmitarbeiter, ganztags, sie, die Logopädin, bis 14 Uhr. Das Konstrukt ist aus der Not geboren wie bei vielen anderen Familien auch. Sechs Wochen Sommerferien lassen sich für berufstätige Eltern eben nur schwer überbrücken. Tag eins des Experiments von Familie D. verlief übrigens nicht ganz so glücklich. Schon gegen Mittag klingelte beim Vater im Büro das Telefon, weil „uns ja soooo langweilig ist!“

So wunderbar die Sommerferien sind, berufstätige Eltern und Alleinerziehende insbesondere stellen sie jedes Jahr aufs Neue vor das Problem der Kinderbetreuung. „Da werden die Großeltern eingeplant, gute Freunde, die Nachbarn und die diversen Ferienprogramme der Städte genutzt. Ohne Improvisieren geht es nicht“, sagt auch Frauke Greven vom Verband der berufstätigen Mütter.

Dabei hat sich die Situation in den letzten zehn Jahren durchaus verbessert, ist sie familienfreundlicher geworden. Schon allein deshalb, weil für Schulkinder der offene Ganztagsbetrieb häufig auch in den Ferien geöffnet bleibt. In Dortmund etwa sind 52 Kinder in den Sommerferien im offenen Ganztag angemeldet, obwohl sie diesen in der Schulzeit gar nicht nutzen. Dortmunds Stadtsprecher Udo Bullerdieck: „In Dortmund bekommt jedes Kind eine Betreuung. Selbst jene Kinder, die ihre Kindergartenzeit beendet haben und erst im Herbst an die Schulen gehen.“

Wer Glück hat, freut sich über Großeltern

Das klingt prima in der Theorie, muss aber im realen Leben nicht die beste Lösung sein. Wenn etwa der Kindergarten genau dann Betriebsferien macht, wenn die Eltern keinen Urlaub bekommen. Wenn die künftige Grundschule keine attraktive oder qualitativ gute Betreuung bietet oder die Eltern den ersten Schultag des Kindes nicht in seiner Bedeutung schmälern wollen, weil ihr Sprössling schon Wochen vorher dort ein und aus ging.

Was bleibt, ist ein Jonglieren zwischen Dienstbeginn und Feierabend, zwischen beruflichen Pflichten und Kinderbedürfnissen. „Die Ferien sind ein ständiges Organisieren. Bei Alleinerziehenden ist es dann oft so, dass die Väter noch zwei Wochen mit ihren Kindern verreisen. Das reduziert die Zeit, die überbrückt werden muss“, sagt Antje Beierling, die NRW-Geschäftsführerin des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter.

Wer Glück hat, freut sich über Großeltern, die nicht mehr berufstätig sind und ganz in der Nähe wohnen. Aber auch das ist oft nicht der Fall. Und so wird das soziale Netz gestrickt aus guten Freunden, den Eltern der guten Freunde der Kinder, die im besten Fall gleich Nachbarn sind. „Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit“, sagt Antje Beierling.

NRW verbessert
Kinderbetreuung

Das Landesjugendamt erkannte vor einem Jahr gerade die Nöte der Kinder, die mit Ferienbeginn nicht mehr in den Kindergarten gehen, jedoch auch noch nicht in die Schule. Es empfahl den Jugendämtern kulante Lösungen. Seitdem mühen sich die Kindergärten noch intensiver, den Eltern ein Angebot zu machen. Sei es im eigenen Haus, im benachbarten Kindergarten oder eben im offenen Ganztag der Grundschule. Und auch die Ferienfreizeiten, die es in jeder größeren Stadt gibt, werden gerne genutzt. Da zelten die Kinder an Ruhr und Baldeneysee, verbringen sie segelnd ein paar Tage vor niederländischen Stränden oder erkunden per Kanu die wilden Wasser Südfrankreichs. Denn spätestens wenn der Nachwuchs zwölf Jahre alt ist, hat er keine Lust mehr auf klassische Betreuung. Sind diese Angebote städtisch oder von Wohlfahrtsverbänden, bleiben sie meist erschwinglich. „Bei den privaten Anbietern wird es oft sehr teuer“, bestätigt Frauke Greven vom Verband der berufstätigen Mütter.

NRW, keine Frage, arbeitet wie andere Bundesländer an der Verbesserung der Kinderbetreuung. Norwegen etwa hat’s vorgemacht. Mit ausgezeichneter Kinderbetreuung, einer Verdoppelung der Geburtenrate in den letzten 30 Jahren und inzwischen 80 Prozent berufstätigen Frauen. Für Familie D., für Lena und Rebecca, beginnt heute Tag zwei ihres Experiments. Und dann geht’s auch bald in den Urlaub.