Düsseldorf. . Es gibt sie immer noch – das ist die eigentliche Überraschung. Das seltsame Schauspiel „Minderheitsregierung“ hält sich trotz unübersehbarer Schwierigkeiten: Die Darsteller blieben blass und das Publikum fühlt sich nicht immer gut unterhalten.
Nach einem Jahr kann das Minderheitskonstrukt, Marke Rot-Grün, wenig Mehrwert für sich geltend machen. Aus der Not geboren und personell vor allem auf SPD-Seite dürftig ausgestattet, hat die Regierung Kraft ihr Überleben teuer erkauft. Die Opposition überzieht jeden Schuldenetat mit krachenden Verfassungsklagen. Wirtschafts- und Industriepolitik fanden lange Zeit nicht statt. Eine für Land und Steuerbürger milliardenschwere Abstimmung über die WestLB wurde zur großen Pleite. Rot-Grün wurschtelt sich durch. Das ist die eine Seite.
Die andere: Die Koalition hat zentrale Versprechen umgesetzt. Sie hat Studienbeiträge abgeschafft, streicht Kita-Gebühren und hilft klammen Kommunen. Dafür Mehrheiten zu organisieren, ist anstrengend – und kostet umso mehr, wenn die Linkspartei eingebunden wird. Eine Koalition, die immer nach links schielen muss, wird deshalb die Landesfinanzen auf Dauer kaum sanieren können. Das ist ein Kernproblem von Rot-Grün.
Kraft und Löhrmann bilden das wichtigste Scharnier
Die relative Stabilität in ihrem Minderheiten-Dasein verdankt die Koalition zwei Frauen an ihrer Spitze. Hannelore Kraft, die ihre Volksnähe auslebt, und Sylvia Löhrmann bilden das wichtigste Scharnier. Sie kooperieren eng, pragmatisch – und konterkarieren damit die Hackordnungen früherer rot-grüner NRW-Regierungen. Auch die Fraktionsspitzen stimmen sich geräuschlos ab. Das ist nicht einfach. Denn nichts stört den Betrieb mehr als das ständige Neuwahl-Gerede.
Doch bei aller Ernüchterung nach dem WestLB-Fiasko wirkt für die Koalition die Schwäche der Opposition existenzsichernd. Treffend spricht Ulrich von Alemann vom „Gleichgewicht des Schreckens“: Neuwahlen will – bis auf die Grünen – aus Angst vor Verlusten keine Partei. Das allerdings muss nicht für alle Zeiten so bleiben.
Fazit: Nach einem Jahr wirkt die rot-grüne Minderheitsregierung recht stabil. Sie wird trotz ihrer Probleme weitermachen. Als Modell zur Nachahmung zu empfehlen ist sie aber nicht. Die Neuwahl-Frage bleibt akut.