Düsseldorf. Die Opposition im Landtag fordert Aufklärung durch Innenminister Wolf: Die SPD hat eine Anfrage zur Mafia-Situation vorbereitet. Sozialdemokrat Karsten Rudolph kritisiert: Auch zwei Jahre nach den Mafia-Morden von Duisburg liege die Landesregierung im Dornröschschlaf.
Italiens Fahnder haben seit dem Massaker im Duisburger Ristorante „Bruno” den Druck auf die Mafia massiv verstärkt - und sich darüber beklagt, dass die Kollegen in Deutschland nicht richtig mitziehen können. Jetzt hat der Bundestag den Weg für ein schärferes Vorgehen frei gemacht: Das Parlament hat beschlossen, dass in Deutschland leichter Gewinne der Mafia beschlagnahmt werden dürfen, die im europäischen Ausland „erwirtschaftet” und hier angelegt wurden. Berlin erfüllt damit einen Auftrag der EU an die Mitgliedstaaten.
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in NRW, Karsten Rudolph, lobt das: „Wenn die Italiener in San Luca bei einem Mafiosi Vermögen sicherstellen, kann jetzt auch die Polizei in Deutschland viel schneller zugreifen, um ihn dort zu treffen, wo er am empfindlichsten ist: Am Geldbeutel”.
Mafia parkt jährlich halbe Milliarde Euro in Deutschland
Denn Rudolph und sein Berliner Parteifreund Klaus-Uwe Benneter glauben, dass angesichts des steigenden Fahndungsdrucks in Italien längst die Ausweichbewegung im Gang ist: „Mafiöse Organisationen parken ihr Geld mit Vorliebe in Deutschland”, hat Benneter in diesen Tagen erklärt, unterstützt von Laura Garavini, einer Abgeordneten aus der Anti-Mafia-Kommission des italienischen Parlaments: Bisher sei Geld aus internationaler Kriminalität in Deutschland praktisch unantastbar gewesen, beklagt sie.
Experten verweisen auf Schätzungen, dass die Organisierte Kriminaliät jedes Jahr eine halbe Milliarde Euro aus Verbrechen im Ausland in die Bundesrepublik schleust. In Immobilien, auch in deutsche Firmen. Aber das ist eben eine Schätzung, keine offizielle Zahl. Denn die öffentliche Debatte über Italiens Mafia-Ableger hierzulande kommt nicht richtig in Fahrt. Die Regierungen in Bund und Ländern mauern eher. Führende Polizeibeamte in Nordrhein-Westfalen haben bisher immer festgestellt: Libanesen, Türken, Russen und Täter vom Balkan seien an Rhein und Ruhr weit aktiver als die Italiener. Deren Organisierte Kriminalität folge in der Kriminalstatistik erst auf Platz 6. Innenminister Ingo Wolf hat dem Innenausschuss des Landtags mitgeteilt: „Es gibt keine veränderte Gefahrenlage”.
Rudolph: "Landesregierung im Dornröschenschlaf"
Karsten Rudolph glaubt das nicht. „Die Landesregierung liegt im Dornröschenschlaf”, sagt er. Vor allem: Sie sage nicht, was sie wisse. „Selbst dem Parlament werden Informationen vorenthalten. Mafia-Ermittler aus Italien sagen uns, in Deutschland würden Gefahren eher unterschätzt”.
Eine neue Verlockung liegt in den umfangreichen Konjunkturpaketen, die die Regierungen in Bund und Ländern zur Stabilisierung der Wirtschaft auf den Weg bringen. Mit Milliarden Euro wird dabei vor allem die Bauwirtschaft unterstützt. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verweist auf Erfahrungen ihrer italienischen Fahnder-Kollegen, dass sich Mafiosi besonders gerne in der Baubranche tummeln und dort absahnen. Warum nicht auch hier?
„Mafia, Nein danke”-Pakt
Um mehr aus der Grauzone des Verbrechens zu erfahren, macht die Landtags-Opposition jetzt Druck. Sie hat eine große Anfrage zur Mafia-Situation in NRW in Vorbereitung. Sie will nach der tatsächlichen polizeilichen Lage fragen, nach den Aktivitäten der Landesregierung, der Staatsanwaltschaften und der Polizei, nach der ausreichenden Stellenbesetzung im Anti-Mafia-Kampf und ob die NRW-Regierung die Initiative von heimischen Italienern unterstützt, die sich zu einem „Mafia, Nein danke”-Pakt zusammengeschlossen haben. Viele Italiener sind nämlich besorgt, dass der Ruf von Pizzerien und Eissalons durch schwarze Schafe ruiniert wird, die Läden als Geldwaschanlagen nutzen.
Vor allem, sagt Rudolph: „Mit einer großen Anfrage zwingen wir den Innenminister, vor dem Landtagsplenum endlich klar Auskunft zu geben”. Wie in Thüringen, wo sich das Parlament auch schon mit mafiösen Umtrieben befasste, weil gerade Ostdeutschland ein bevorzugtes Operationsgebiet von Ndrangheta, Camorra und Co. ist.
Länder dürfen Telefonate nicht abhören
Die Länder haben allerdings auch ihre rechtlichen Probleme. Vorbeugendes Abhören von Telefonaten geht nicht so einfach. „Die Verfassungsgerichte haben die einschlägigen Gesetzgebungen zerschossen”, meint Karsten Rudolph. Er drängt, wie andere Parteien auch, darauf, dass möglichst schnell ein verfassungsrechtlich wasserdichtes Gesetz verabschiedet wird, dass dem Landeskriminalamt die Möglichkeit gibt, mafiösen Umtrieben mit moderner Technik zu begegnen.