Essen. . Zwei Wochen nach der ersten Verzehrwarnung für rohes Gemüse wegen des Ehec-Erregers beziffert der Bauernverband die Verluste in der Landwirtschaft auf 50 Millionen Euro. NRW-Verbraucherminister Remmel will sich für Entschädigungen stark machen.
Sie sind prall, rot und duften verlockend - aber sie lassen sich derzeit kaum verkaufen: Minus 80 Prozent Umsatz bei Tomaten meldet die Erzeugergenossenschaft Landgard, in der auch 150 Gemüse-Betriebe vereinigt sind. Seit zwei Wochen warnen die deutschen Behörden davor, rohes Gemüse zu verzehren, weil Gurken, Tomaten oder Salat womöglich Träger des gefährlichen Durchfall-Erregers Ehec ist. Die Landwirte bekommen das voll zu spüren.
Noch immer tappen die Behörden im Dunkeln, woher der Erreger nun stammt. Erste Proben aus einem zwischenzeitlich geschlossenen Betrieb in Niedersachsen, der Sprossen anbaut, waren am Montag negativ getestet worden - Ehec-frei.
Je länger die Ungewissheit andauert, desto schlechter für die Landwirte. Durch die Ehec-Krise dürften sie nach Schätzung des Deutschen Bauernverbands bislang 50 Millionen Euro an Einnahmen verloren haben. „An einem normalen Tag beträgt der Umsatz bei Gemüse 10 Millionen Euro, derzeit wird es ungefähr die Hälfte sein“, sagte ein Sprecher am Montag.
NRW-Landwirtschafts-Minister Johannes Remmel (Grüne) will sich beim Bund und bei der EU für finanzielle Hilfe für die heimische Wirtschaft einsetzen, die wegen der Ausbreitung des Ehec-Erregers unter massiven Umsatzeinbußen zu leiden hat. Das ist das Ergebnis eines Krisentreffens zwischen Gartenbauwirtschaft und Ministerium am Montag. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hatte bereits in der vergangenen Woche bekannt gemacht, dass von Ehec-Einbußen betroffene Landwirte bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank verbilligte Kredite beantragen könnten, um ihren Betrieb über Wasser zu halten.
90 Prozent weniger Gurken verkauft
Vor allem die Zurückhaltung beim Kauf von Salaten, Gurken und Tomaten bringt den Bauern schwere Einbußen. Bei Gurken etwa meldete Landgard aktuell 90 Prozent weniger Nachfrage als vor den ersten Ehec-Meldungen. Die Verzehrwarnungen seien gerade während der Hauptwachstumszeit dieser Gemüsearten gekommen,heißt es beim Bauernverband.
Die Verbraucher seien darüber hinaus jedoch generell verunsichert. „Auch bei Erdbeeren und Spargel wird derzeit weniger gekauft.“ Ein Umsatzrückgang bei Sprossen, die in Sachen Keimbelastung den Gesundheits-Behörden schon früher aufgefallen waren, würde hingegen die Branche voraussichtlich weniger schwer treffen. Landgard-Sprecherin Andrea Kirchhoff: „Sprossen sind in Deutschland ein Nischenprodukt“.
Keine Alternative zum Wegwerfen
Waren in den vergangenen zwei Wochen vor allem Bilder zu sehen, in denen optisch makellose Schlangengurken haufenweise in Müllcontainer gekippt wurden, sind jetzt Tomaten an der Reihe. „Manches konnte man in den vergangenen Wochen noch lagern“, sagt Landgard-Sprecherin Andrea Kirchhoff: „Jetzt geht es los mit dem Wegwerfen“. Alternativen gebe es für die Betriebe in der Regel nicht, sagt Kirchhoff: „Für Dose oder Ketchup braucht es spezielle Tomatensorten mit mehr Säure“.
Für die 10.000 deutschen Betriebe mit ihren 120.000 Hektar Land, die unter der Ehec-Krise litten, gebe es derzeit auch kaum Trost durch steigende Verkaufszahlen anderer Gemüsesorten, heißt es beim Bauernverband. Da es die Hauptsaison für Salat, Tomaten und Gurken sei, gebe es im Augenblick nur wenig Ersatzgemüse, vor allem für Salate.
Auch wenn die Behörden vielleicht doch noch Sprossen als Ursprung der Ehec-Ausbreitung ausmachen sollten, bei Landgard sähe man darin noch keinen Grund zum Aufatmen. Andrea Kirchhoff: „Für uns werden die Zeiten erst besser, wenn die Verzehrwarnung für Gemüse offiziell aufgehoben wird.“ Derzeit deutet aber nichts darauf hin, dass man mit einem raschen Durchbruch rechnen könnte. (mit dapd)