Essen. . Kachelmann ist frei, doch die schmutzigen Details des Prozesses bleiben in Erinnerung. Welches Urteil die Öffentlichkeit über den Moderator gefällt hat, wollte „Hart aber fair“ ans Licht bringen. Das Publikum konnte mehr dazu sagen, als die Gäste.
Kachelmann ist freigesprochen, aber hat sich das Publikum nicht schon lange vor Ende des Vergewaltigungsprozesses ein Urteil über den Wettermoderator gebildet? Ein Publikum, das in der ersten Reihe stand als sich nicht nur die Prozessbeteiligten, sondern auch Juristen und Medien auf dem Schlachtfeld getummelt haben. Ein Publikum, das zu der „Hart aber fair“-Frage „Freispruch vor Gericht, aber lebenslänglich vor der Öffentlichkeit?“ letztlich mehr beitragen konnte als die Talk-Gäste der Sendung.
Diese diskutierten meist weit ab vom Thema und beteten dabei lediglich die Erkenntnisse herunter, die seit Monaten weithin bekannt sind: Staatsanwälte und Verteidiger versuchen die öffentliche Meinung zu beeinflussen, Qualitätszeitungen eifern dem Boulevard nach, Medien und Gericht haben sich im Verlauf des Prozesses hochgeschaukelt, ohne letztlich ans Licht zu bringen, wer hier der Täter und wer das Opfer ist.
In weiten Teilen schien es sogar, als würde die Talkshow über die Richter im Kachelmann-Prozess zu Gericht sitzen. Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker und der schweizer Gerichtsreporter Alex Baur überboten sich gegenseitig mit so harscher Kritik an der Verfahrensführung und der einer Entschuldigung für den Freispruch anmutenden Urteilsbegründung, dass sich der ehemalige Staatsanwalt Hansjürgen Karge zur Verteidigung des Vorsitzenden Richters berufen fühlte und Moderator Frank Plasberg vehement einschritt.
Höcker wollte als direkter Beteiligter ohnehin nicht recht in die Runde passen – stand er auch nicht auf der ursprünglichen Gästeliste. Karge, der in einem Interview verkündet hatte, er würde seiner Tochter im Zweifel von der Anzeige einer Vergewaltigung abraten, begann nahezu jeden seiner Sätze mit „früher…“ (war alles besser). Baur verwies stattdessen stets darauf, wie gesittet es im Vergleich zu Deutschland doch in der Schweiz zugehe. Positionen, die wenig hilfreich waren, um die Diskussion fruchtbar voranzutreiben.
Ursula Schele, Mitbegründerin des Frauennotrufs, stellte sich derweil selbst ins Abseits, als sie die Berichterstattung Alice Schwarzers zitierte und sich lautstark darüber echauffierte, dass Kachelmann zwischenzeitlich eine sehr viel jüngere Frau geheiratet hat.
Nur Bunte-Chefin wurde dem Talk-Thema gelegentlich gerecht
So war es eher noch die ehemalige Bunte-Chefredakteurin Beate Wedekind, die dem Anspruch der Sendung nach einer Reflektion der öffentlichen Meinung gelegentlich gerecht wurde. Betonte sie doch, dass Kachelmanns berufliche Möglichkeiten als Meteorologe und Unternehmer weit über die Rolle des Wetterfroschs hinausreichen und sich damit dem Einflussbereich der Öffentlichkeit entziehen. Das persönliche Schicksal sowohl Kachelmanns als auch seiner Ex-Freundin sollte stattdessen im Zentrum der Diskussion stehen.
Ganz ähnlich klangen die eingegangenen Zuschauerstimmen: Von zerstörten Biographien war hier die Rede, davon, dass es Kachelmann leichter fallen werde als der Ex-Freundin wieder beruflich Fuß zu fassen. Einerseits die Bemerkung, in einem Rechtsstaat müssten einem Freigesprochenen alle Rechte und Privilegien gewährt werden. Andererseits der Hinweis, dass Kachelmann als Person des öffentlichen Interesses die Konsequenzen seines moralischen Fehlverhaltens tragen müsse.
Hätte Frank Plasberg mit solchen Zuschauerstimmen als Leitfaden durch die Sendung geführt, wäre vielleicht tatsächlich das Urteil der Öffentlichkeit zum Kachelmann-Prozess deutlich geworden. Ohne ein solches Handbuch blieb die Sendung ein bunter Eintopf, in dem alles gekocht wurde, was in den vergangenen 14 Monaten gebrodelt hat: juristische Streitgespräche und breit gestreute Medienschelte gemischt mit Überlegungen zu Einschaltquoten und Opferschutz.