Essen. . Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie beweist die Bundesregierung Mut. WAZ-Politikchef Walter Bau ist überzeugt: Die Kanzlerin will die Wende wirklich. Ob Deutschland dadurch allerdings sicherer wird, ist mehr als fraglich.
Hätte dies jemand noch vor wenigen Monaten prophezeit, er wäre als Phantast oder Spinner nur müde belächelt worden: Die bürgerliche Koalition in Berlin besiegelt den Abschied von der Kernkraft in Deutschland – 2021, spätestens aber 2022 soll der letzte Atommeiler abgeschaltet werden. Ein mutiger Plan.
Die Bundeskanzlerin hat erkannt, dass nach dem GAU von Fukushima, dessen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt immer noch nicht absehbar sind, ein Festhalten an der Kernenergie den meisten Bürgern nicht mehr vermittelbar ist. Und sie hat auch erkannt, dass die Atomkraft Risiken birgt, die letztlich eben nicht beherrschbar sind. Mit dem jetzt vorgelegten Ausstiegs-Fahrplan zeigt Merkel, dass ihre atemberaubende Energiewende nach Fukushima eben nicht allein eine Panikreaktion im Vorfeld der Wahl in Baden-Württemberg war. Die Kanzlerin will die Wende wirklich.
Fragwürdig bleibt das Stand-by-Kraftwerk
Dass die Regierung sich die Option offen lässt, drei Reaktoren nicht unbedingt schon 2021 auszuknipsen, sondern im Notfall noch ein weiteres Jahr laufen zu lassen, ist kein politisches Hintertürchen, sondern eine vernünftige Absicherung. Im Moment weiß keiner genau, wie sich der Ausstieg auf Stromversorgung, Strompreisentwicklung und Netzbelastung auswirken wird. Und ein Jahr mehr oder weniger – so hat es auch SPD-Spitzenfrau Hannelore Kraft gerade erst formuliert – kann bei einem so ambitionierten Projekt wie dem Ausstieg aus der Kernkraft nicht den entscheidenden Unterschied machen.
Fragwürdig ist allerdings die Option, einen Meiler sozusagen als stille Reserve im Stand-by-Modus zu belassen. Erstens ist es unklar, ob es technisch machbar ist, einen Reaktor bei Bedarf problemlos mal eben wieder hochzufahren. Und zum anderen riecht dies dann doch verdächtig nach Hintertürchen. Ebenso wenig wie ein Jahr beim Ausstieg den Unterschied macht, dürfte die Stromversorgung der Republik an einem Meiler hängen.
Und was ist mit den Akw im Ausland?
Deutschland steigt also aus der Kernkraft aus – wird die Republik dadurch sicherer? Richtig ist, dass mit jedem Reaktor, der vom Netz geht, die Wahrscheinlichkeit eines nuklearen Unfalls sinkt. Richtig ist aber auch, dass Deutschland gleichsam umzingelt ist von Atomkraftwerken, etwa in Frankreich, Belgien, Niederlande oder Tschechien. Solange dort die Reaktoren weiter auf Hochtouren laufen, ist die Sicherheit hierzulande nur relativ.