Brüssel. . Drei EU-Parlamentarier haben sich von vermeintlichen Lobbyisten bezahlen lassen. Als Gegenleistung brachten sie bestellte Gesetze auf den Weg. Pech für die käuflichen Abgeordneten: Hinter den Lobbyisten verbargen sich britische Journalisten.
Korruptions-Vorwürfe gegen Europa-Parlamentarier: Mehrere EU-Abgeordnete haben sich offenbar von Lockvögeln zur Bestechlichkeit verleiten lassen. Journalisten der britischen Zeitung „Sunday Times“ hatten sich als Lobbyisten ausgegeben und ihre Ansprechpartner mit hohen Summen geködert. Drei von 60 Parlamentariern akzeptierten demnach den Deal – zwei von ihnen sind mittlerweile zurückgetreten. Für 100.000 Euro waren alle drei scheinbar bereit zu einem Jahr Lobbyarbeit.
In der Folge brachten die Volksvertreter anscheinend sogar „bestellte“ Gesetzesänderungen auf den Weg. Videomaterial der Sunday Times zeigt den ehemaligen österreichischen Innenminister Ernst Strasser im Gespräch mit Reportern: Er arbeite bereits für fünf „Klienten“ als Lobbyist, brüstet sich Strasser . Das Parlament wisse von nichts, denn „ich bin sehr diskret“. Der Christdemokrat hat mittlerweile abgedankt.
„Kein Platz für unmoralisches Verhalten“
Im Nachhinein wollte der Österreicher nur zum Schein mitgespielt haben: „Die Vermutung war, dass es um irgendeine geheimdienstliche Angelegenheit ginge“, sagte er dem österreichischen Fernsehsender ORF. Seine Fraktion schenkte ihm wenig Glauben: „Unsere Bürger müssen ihren EU-Abgeordneten vertrauen können. Bei uns gibt es keinen Platz für unmoralisches oder unethisches Verhalten“, sagte der Vorsitzende der Christdemokraten im Europaparlament Joseph Daul.
Auch zwei hochkarätige sozialdemokratische Abgeordnete ließen sich offensichtlich auf das Geschäft ein. Zoran Thaler war einst Außenminister Sloweniens, Adrian Severin war rumänischer Außenminister. Thaler sieht sich als Opfer einer Schmutzkampagne. Dennoch trat auch er am Montag zurück.
Einer der Beteiligten gibt den Journalisten die Schuld
Adrian Severin gibt den Journalisten die Schuld und weigert sich zurückzutreten. Seine Fraktion entband ihn von allen Funktionen. Der sozialdemokratische Fraktionschef Martin Schulz wollte ihm noch am Montagabend vorschlagen, sein Mandat nieder zu legen. Sollte sich Severin weigern, werde die Fraktion versuchen, ihn auszuschließen, sagte Schulz.
In Brüssel zeigt man sich entsetzt über den Vorfall. Diana Wallis, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, kündigte eine Untersuchung an. „Das Parlament kann ein solches Fehlverhalten nicht akzeptieren.“ Das Material werde „genauestens ausgewertet”. Das bei den Treffen heimlich aufgezeichnete Videomaterial ist auf der Internetplattform Youtube für jeden zugänglich.
Die Anti-Lobby-Gruppe ALTER-EU warnte: „Dieser Skandal könnte nur die Spitze des Eisbergs sein.“ Denn bisher gibt es bei der EU keine Registrierungspflicht für Lobbyisten – und damit eine große Grauzone. Das Europaparlament arbeitet deshalb an einer Gesetzesänderung.