Essen. Frauenzeitschriften sind für die Männer-Welt ein Mysterium. Das Klischee ist schnell zusammengefasst: langweilige Mode, langweilige Diäten, langweiliger Klatsch. Dass es nicht immer so sein muss, zeigt dieser Selbstversuch.

Der Auftrag, eine Frauenzeitschrift zu kaufen, hat schon etwas Heikles. So streife ich durch den Supermarkt um die Ecke, im Einkaufswagen schon alles, was der moderne Mann von heute so braucht: Tiefkühl-Pommes, eine Tube Majonäse, eine Sechserpackung Bier (sonst sieht’s bei mir eher schlecht aus mit Six Packs) sowie ein Sack Grünkohl für schlechte Zeiten. Fehlt nur noch das Mädel-Magazin.

Schlüsselreize stechen

Auf diesem Sektor völlig unerfahren, frage ich mich, welches Werk es denn nun werden soll. Der Blick schweift über das Zeitschriftenregal. Manche Blätter sehen mir zu billig aus, etwas mit Lifestyle wäre nicht schlecht. Oder was mit Diäten, wo ich lernen kann mit Bier, Grünkohl und Pommes abzunehmen. Bei der oberflächlichen Betrachtung drängt sich spontan eine Frage auf: Warum tragen so viele Frauen-Zeitschriften Frauennamen? Männer-Magazine heißen doch auch nicht Josef, Thomas oder Michael. Nein, so ein Frauennamenheft will ich nicht. Da fällt mein Blick auf ein Cover, das gleich mit drei Schlüsselreizen mitten in mein Unterbewusstsein trifft:

  1. Das Wort „Sex“ gleich oben links
  2. Heidi Klum als Cover Girl in der Mitte
  3. Das Wort „Busen“ unten rechts

Kaufen.

Es ist eine Cosmopolitan, die nun in meinem Einkaufswagen liegt. Das Blatt verstaue ich so zwischen Grünkohl und Pommes, dass ich gerade eben die Titelseite überfliegen kann, ohne dass meine Mit-Einkäufer sofort sehen, was ich da habe. An der Kasse wird’s schon peinlich genug.

Themen auch für Männer interessant

Die Themen auf Seite eins sind auch bei näherem Hinsehen durchaus für männliche Leser interessant. „Sex – Ja, Ja, Jaaah! Erklimmen Sie den Gipfel der Lust auf völlig neue Weise“ – was Praktisches für zu Hause also. Aus männlicher Sicht auch sehr interessant ist das Thema „Vater wider Willen“, denn da geht es um Männer, die als Samenspender missbraucht werden. Da bin ich direkt gespannt, wie das in einer Frauen-Zeitschrift wohl behandelt wird.

Außerdem verspricht das Cover noch sexy Sommertrends (kurze Röcke und lange Beine gehen jeden Sommer, hoffe ich), eine Geschichte über die große Liebe und wie man die erkennt, außerdem das Highlight, das jeden Mann interessiert: „Busen-Freude – Wie unsere Brüste lange schön bleiben, Wie wir sie gekonnt in Szene setzen, Was ER über einen falschen Busen denkt“. Da bin ich aber gespannt, ob die wissen, was ich über falsche Busen denke. Der Rest interessiert mich aus rein wissenschaftlicher Sicht natürlich auch. Also bezahlen, ab nach Hause.

"Vater wider Willen"

Ich überlege, welchem Thema ich mich zuerst widme. Sex und Busen sind natürlich verlockend, aber zu meinem eigenen Erstaunen macht „Vater wider Willen“ das Rennen. Autorin der Geschichte ist eine Frau, doch ist der Text aus Sicht eines Mannes in der Ich-Perspektive geschrieben. Wie soll man das verstehen? Doch zu meiner Überraschung wird das Thema sehr einfühlsam und anschaulich behandelt. Beim Lesen leide ich mit dem armen Kerl richtig mit, der von einer Frau als Samenspender missbraucht wurde. „Biest“, denke ich immer, wenn er schildert, wie die Mutter seines Kindes Treffen platzen lässt. Aber zum Schluss hat die Story ein Happy End. So mag ich das.

Nächstes Thema. Sex. Die Geschichte heißt „Der Weg zum O“ und soll den Frauen verraten, wie sie zum Orgasmus kommen. Anhand von vier Geschichten in Ich-Perspektive schildern Frauen, wann sie wie, wo und mit wem den besten Sex hatten (bei einer war’s doch tatsächlich im Hotel mit einem Vibrator). Außerdem lerne ich, dass elf Prozent der Frauen noch nie einen Orgasmus hatten, 74 Prozent der Lust regelmäßig mit Hilfsmitteln auf die Sprünge helfen und 15 Prozent problemlos kommen. In einem Interview mit einer Sexualwissenschaftlerin erfahre ich, welche Probleme so zwischen einer Frau und ihrem Orgasmus stehen können. Neu ist das alles aber nun wirklich nicht. Nicht mal mir.

Endlich: Das Busen-Thema

Also auf zum nächsten Titel-Thema, dem Busen und dem Verhältnis zwischen ihm und seiner Besitzerin. Jetzt mal ehrlich Jungs: Fragt ihr euch nicht ständig, was Frauen so über ihren Busen denken? Geht ihr nicht auch davon aus, dass Frauen in Umkleidekabinen, beim Sport, in der Sauna oder sonst wo genau das gleiche tun wie ihr – nämlich Mädels auf den Busen schauen und heimlich Größenvergleiche anstellen? Dass Frauen ständig über ihre Brüste und die anderer Frauen nachdenken?

Und tatsächlich, da steht’s lila auf schwarz. „Zu groß, zu klein – oder genau richtig? Über keinen Körperteil machen Frauen sich so viele Gedanken wie über ihren Busen.“ Ich hab’s gewusst! Sehr interessant ist die kleine Zeile am unteren Seitenrand. Dort hat Cosmopolitan – Achtung! – „Busen News und Facts“ platziert. Denen entnehme ich mit großem Interesse, dass Britinnen in Europa die größte Oberweite haben und Italienerinnen die kleinste. Und dass es Körbchengröße von A bis K gibt. Bei dem Versuch, mir Letztere vorzustellen, wird mir schwarz vor Augen. Sehr interessant und sehr gut für das männliche Gewissen ist aber folgende Nachricht: Laut US-Soziologen haben Frauen mit größeren Brüsten auch einen höheren IQ. Da soll noch eine Frau behaupten, man interessiere sich nur für ihren Körper, wenn man gerade mit geübtem Blick versucht, die Körbchengröße unter dem Norweger-Pullover zu ermitteln.

Der Busen-Experte

Abgerundet wird die Busen-Geschichte durch einen Erlebnisbericht eines Mannes, der sich in eine Frau mit Silikon-Busen verliebt hat. Er schreibt dort wahre Worte: „Als heterosexueller Mann bin ich per se dazu berechtigt, zu glauben, dass jeder Busen ein Kunstwerk ist, ein Wunder der Architektur, nach Nutzwert- und Schönheitskriterien gestaltet.“ Hört, hört!

Die größte Enttäuschung ist die Geschichte über die modischen Sommer-Trends. Lange Röcke, hässliche Klamotten, hässliche Models. Deutlich interessanter ist da die Story über die wahre Liebe. Sehr einfühlsam und angenehm geschrieben. Wie übrigens alle Texte in dem Blatt. Kein verbales Geprotze, sondern viel gefühlvolle Sachlichkeit.

Dennoch: Beim nächsten Einkauf wird wohl keine Frauen-Zeitschrift neben meinem Grünkohl landen, solange Frauen sich nicht endlich verstärkt für Digitalkameras und Quad-Core-Prozessoren interessieren, sondern mich mit 24 Seiten Mode und völlig überflüssigen Klatschseiten foltern.

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