Münster. . Die rot-grüne Landesregierung hat eine schwere Schlappe vor dem Landesverfassungsgericht erlebt. Doch die NRW-CDU hält sich mit Rufen nach Neuwahlen zurück. Landesvorsitzender Röttgen will erst den Haushalt 2011 abwarten.
Die nordrhein-westfälische CDU will nicht sofort über Neuwahlen in dem Bundesland entscheiden. Der Landesvorsitzende Norbert Röttgen will dies vielmehr davon abhängig machen, ob die rot-grüne Regierung einen verfassungsgemäßen Haushalt 2011 aufstellen kann. "Wenn die Regierung das nicht schafft, ist sie gescheitert, dann sind Neuwahlen unausweichlich", sagte der Bundesumweltminister am Dienstag in Berlin. "Von der Reaktion der Regierung hängt unsere Antwort ab", betonte Röttgen.
Das Urteil sei eine schwere Niederlage für die Regierung und SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Der Nachtragshaushalt sei an "Dilettantismus und handwerklicher Unfähigkeit" gescheitert. Der eingeschlagene Weg über eine höhere Neuverschuldung sei falsch.
Der NRW-Verfassungsgerichtshof in Münster hatte am Dienstag den Nachtragshaushalt 2010 gekippt. Der Etat verstoße gegen die Landesverfassung und sei nichtig, sagte der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Michael Bertrams. Das Gericht gab damit einer Verfassungsklage von CDU und FDP statt. Die beiden Oppositionsparteien hatten geklagt, weil sie den erst im Dezember vom Landtag verabschiedeten Nachtragshaushalt für verfassungswidrig halten.Rot-Grün hatte die Verschuldung von 6,6 auf 8,4 Milliarden Euro erhöht. Nachdem das Gericht im Januar eine einstweilige Anordnung gegen neue Kredite erlassen hatte, senkte die Minderheitsregierung die Nettoneuverschuldung auf 7,1 Milliarden Euro.
Überschreitung der Kreditgrenze verstößt gegen Verfassung
Die Richter monierten nun, dass der Nachtragshaushalt wegen einer Überschreitung der Kreditgrenze gegen die Landesverfassung verstoße. Laut Verfassung darf die Neuverschuldung normalerweise nicht über der Höhe der Investitionen liegen. Nur wenn das zusätzliche Geld zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts benötigt wird, darf von dieser Regelung abgewichen werden. Eine Störung habe Rot-Grün nicht nachvollziehbar gemacht.
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) gab sich nach dem Richterspruch abwartend. "Wir schauen uns das genau an", sagte die Regierungschefin in einer ersten Einschätzung. Ob die SPD im Falle einer CDU-Klage gegen den Etat 2011 Neuwahlen anstrebe, ließ die Ministerpräsidentin offen. Man respektiere das Urteil, betonte Kraft. Rot-Grün gehe aber weiter von einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts aus. Kraft nannte als Beleg für die zu konkretisierende Störungslage die Katastrophe in Japan, die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms und die Instabilität in arabischen Ländern.
Das Gericht habe "hohe Hürden" gesetzt, sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne). Zunächst warte man die schriftliche Urteilsbegründung ab. Die Koalition werde die Vorgaben des Gerichts genau prüfen. Am Dienstagabend sollte in Düsseldorf der rot-grüne Koalitionsausschuss zusammenkommen.
NRW-CDU-Generalsekretär Oliver Wittke verlangte "kurzfristig" Einsparvorschläge von Rot-Grün. Die Regierung müsse in wenigen Tagen Konsequenzen ziehen. Durch das Urteil aus Münster seien "Neuwahlen eher wahrscheinlicher geworden", sagte Wittke. Erneut drohte der CDU-Politiker mit einer Klage gegen den Etat 2011.
Bund der Steuerzahler erfreut über das Urteil
FDP-Fraktionschef Gerhard Papke sprach von einem "guten Tag für NRW". Das Urteil sei eine "bestürzende Niederlage" für die Landesregierung, die nun "den Marsch in den Verschuldungsstaat" stoppen müsse. Künftig werde es für alle Landesregierungen engere Vorgaben für die Haushaltspolitik geben.
Der Bund der Steuerzahler zeigte sich erfreut über das Urteil: "Mit diesem Urteil wird der ungehemmten Verschuldungsorgie der neuen Landesregierung ein Riegel vorgeschoben." Außerdem setze es "Maßstäbe für die künftige Schuldenaufnahme".
Der Etat 2011 sieht wie der Nachtrag 2010 eine Neuverschuldung auf dem NRW-Rekordniveau von 7,1 Milliarden Euro vor. Voraussichtlich im Mai sollte der Haushalt 2011 im Landtag verabschiedet werden.
Die SPD hat einen erneuten Urnengang bereits für den Fall angedroht, dass die CDU auch gegen den Haushalt 2011 klagt. Es wäre die achte Landtagswahl im Superwahljahr 2011. Es käme dann zum Duell zwischen Ministerpräsidentin Kraft und ihrem CDU-Herausforderer, Bundesumweltminister Röttgen. Laut übereinstimmenden Umfragen könnte die seit 2010 amtierende rot-grüne Minderheitsregierung bei einem vorzeitigen Urnengang auf eine klare Mehrheit im Landtag hoffen. (dapd/rtr)