Essen. . Die Lokführer wollen diesmal auch den Güterverkehr bestreiken. Die Wirtschaft befürchtet Millionen-Schäden: Zwei Wochen Streik verursachen Einbußen von 200 Millionen Euro täglich. Vor allem die Chemie- und die Autoindustrie ist von der Bahn abhängig.

Der deutschen Exportwirtschaft drohen bei einem Streik der Lokführer Einbußen in Milliardenhöhe. Stünden die Züge fünf Tage still, koste das täglich an die 100 Millionen Euro, sagte Anton Bönrer, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). Ein Streik von zwei Wochen Dauer verursache Einbußen von 200 Millionen Euro täglich. „Sollten die Ausstände noch länger dauern, können wir alle Prognosen vergessen“, sagte Börner.

„Dauert der Streik länger, kann die Produktionskette unterbrochen werden“, meint auch Patrick Thiele, Verkehrsexperte beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Dabei spielt die Schiene für die Industrieproduktion in Deutschland insgesamt nur eine vergleichsweise geringe Rolle: 17 Prozent werden mit dem Zug bewegt. Zum Vergleich: Auf der Straße sind es 70 Prozent. Vor allem die Chemie- und die Autoindustrie ist von der Bahn abhängig.

Transport auf Lastwagen und Schiffe verlagern

Die Unternehmen stellen sich auf unterschiedliche Weise auf einen Streik ein: Bei ThyssenKrupp Stahl erkärt Sprecher Erwin Schneider auf Anfrage von DerWesten: „Wir sehen das entspannt“. Weil man die Lokführer des eigenen Schienen-Werksverkehr notfalls auch im nationalen Verkehr einsetzten will und darf: „Unser Personal ist auch für den öffentlichen Schienenverkehr qualifiziert.“ Der Einsatz sei zudem im Vorfeld mit der Bahn abgesprochen.

67,6 Millionen Tonnen Güter werden an den TKS Produktionsstätten in Deutschland pro Jahr per Bahn innerhalb der Werkstore bewegt - von der Kokskohle (die zum Hauptteil per Binnenschiff angeliefert wird), über Schrott bis zum Endprodukt. Außerhalb der Werke sind es 5,8 Millionen Tonnen Güter.

Bei Opel qualmen unterdessen die Köpfe der Logistik-Profis. Eigene Lokführer gibt es dort nicht, sagt Firmensprecher Andreas Kroemer. Dafür aber ist die Produktion etwa im Werk Bochum abhängig von der Bahn: „Ein Drittel unserer Transporte macht die Bahn AG“, sagt Kroemer. Motoren für das Modell Zafira kommen etwa aus Österreich oder Ungarn, Fahrwerkskomponenten aus Kaiserslautern - ein täglicher Materialfluss per Zug. Das Fertigungssystem in der gesamten Autoindustrie „sieht Lagerhaltung nicht mehr vor“, erklärt Kroemer. Man wolle nun sehen, Transporte bei einem mehrtägigen Streik verstärkt auf Lastwagen und Binnenschiffe zu verlagern.

Landesbetrieb Straßen will notfalls Autobahnbaustellen absagen

Diese Möglichkeiten sind im Allgemeinen jedoch begrenzt, heißt es beim Bundesverband Güterverkehr: So hat die Speditionsbranche in der Krise 2008 ihre Fahrzeugflotten verkleinert. Die Zulassungszahlen seien mittlerweile zwar steigend, „sind aber immer noch nicht auf dem Niveau wie vor der Krise“, sagt Martin Bulheller. Auch seien, etwa für Autotransporte, spezielle Fahrzeuge nötig: da könnte es dann knapp werden. Dennoch: Bei der Bewertung eines erneuten Lokführerstreiks ist Bulheller im übrigen nicht so pessimistisch wie der DIHK: „Beim Streik 2007 ist die Wirtschaft auch nicht zusammengebrochen“, meint er.

Der Landesbetrieb Straßenbau NRW stellt sich unterdessen darauf ein, dass Bahn-Pendler beim Streik verstärkt aufs Auto umsteigen: Sollten die Verkehrszahlen es notwendig machen, wolle man kleinere Baustellen kurzfristig absagen, teilt Hauptgeschäftsführer Winfried Pudenz mit: „Im schlimmsten Fall können wir eine schon laufende so genannte Tagesbaustelle auch wieder abbrechen.“ Auf den 2200 Kilometer Autobahnen in NRW gibt es an Werktagen rund 60 Tagesbaustellen. (mit dapd)