Essen. . Autofahrer weigern sich E10-Sprit zu tanken, Glühbirnen-Fans lehnen Energiespar-Lampen ab. Stromverbraucher murren über die Kosten erneuerbarer Energien. Die Unzufriedenheit über den Klimaschutz wächst - die Politik muss sich besser erklären.

Autofahrer verweigern sich dem Biosprit E10, Stromverbraucher zeigen sich schockiert über die hohen Kosten der Solarförderung, und die Verfechter der Glühbirne proben den Aufstand gegen die Energiesparlampe. Vor dem Benzin-Gipfel am Dienstag beschleichen manchen auf der Regierungsbank wohl mulmige Gefühle: Ist es vorbei mit der Unterstützung der Deutschen für ambitionierten Klimaschutz? Hat die Politik übertrieben?

Die FDP zumindest ist sich da sicher. „Per Gesetz sollten Bürger dazu erzogen werden, vermeintlich ökologisch einwandfreie Produkte zu kaufen, obwohl die Vorschriften oft gar nicht dem Umweltschutz nutzen“, sagt Holger Krahmer, FDP-Umweltpolitiker im Europäischen Parlament, im „Handelsblatt“. „Es ist kein Wunder, dass sich die Bürger wehren.“ Der Klimahype des Jahres 2007, als die Bundesregierung gleich Dutzende von Maßnahmen im Paket beschloss, sei vorbei, konstatiert die Wirtschaftszeitung.

Andere Experten äußern allerdings Zweifel an dieser pauschalen Einschätzung. „Ich glaube nicht, dass die Verbraucher den Klimaschutz generell infrage stellen“, sagt zum Beispiel Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Aber sie haben ein sehr gutes Sensorium, was vernünftig ist und was weniger vernünftig ist.“

Umfragen positiv

Umfragen zeigen die Bürger grundsätzlich gutwillig. Ende 2009 sagten in einer Emnid-Umfrage 80 Prozent der Teilnehmer, sie würden für den Klimaschutz im Alltag Einschränkungen hinnehmen. 2010 forderten in einer Studie des Umweltbundesamts zwei Drittel der Befragten sogar mehr Umweltengagement des Staates, und die deutsche Vorreiterrolle im internationalen Klimaschutz fand bei 61 Prozent der Teilnehmer Rückhalt. Die Agentur für Erneuerbare Energien verweist ihrerseits auf Unterstützung der Bürger für Ökoenergien. So sagten vergangenes Jahr 74 Prozent in einer Forsa-Umfrage, die Förderung von erneuerbaren Energien sollte beibehalten werden.

Dass die Bürger im Konkreten dann doch gegen Einzelmaßnahmen protestieren, widerspricht dem nicht grundsätzlich, findet Verbraucherschützer Krawinkel. So erklärt er den E-10-Streik der Bürger an der Zapfsäule mit einem „klaren handwerklichen Problem“ bei der Information, ob Autos Schaden nehmen. „Das hätte die Bundesregierung leicht ausräumen können, indem sie jedem Autofahrer einen Brief schickt“, meint der Energieexperte.

Gleichzeitig sieht er aber auch politisch falsche Entscheidungen. Gerade die stärkere Nutzung von Agrosprit und auch die Förderung von Solarstrom - die inzwischen Milliardenkosten für Stromkunden verursacht - seien besonders teure Klimaschutzmaßnahmen. Die Kosten zur Vermeidung einer Tonne Kohlendioxid lägen bei rund 100 Euro, in einigen Rechenmodellen sogar bei bis zu 500 Euro. „Wieso setzt eigentlich die Politik immer wieder auf die Maßnahmen, die besonders teuer sind?“ fragt Krawinkel - und hat auch eine passende Antwort.

Rückzug vor der Auto-Lobby

Kurz gefasst sieht er als politisches Motiv: Soll doch lieber der Verbraucher etwas mehr zahlen, als eine wichtige Industrielobby aufzustacheln. So erinnert der Verbraucherschützer daran, dass die erhöhte Quote von Agrosprit im Benzin eigentlich ein Zugeständnis an die Autoindustrie war, die im Streit über den Klimaschutz hohe Entwicklungskosten für sparsame Motoren strecken wollte. „Man ist vor einer Lobby zurückgewichen“, sagt Krawinkel.

Preiswerte Möglichkeiten zum Klimaschutz wie zum Beispiel die Sanierung von alten Wohngebäuden würden dagegen vernachlässigt. So habe die schwarz-gelbe Koalition die Fördermaßnahmen dafür zuletzt zurückgefahren. „Dort, wo der Staat selbst handeln könnte, wird gekniffen“, sagt der Verbraucherschützer.

Mit dieser, der Haushaltspolitik geschuldeten Linie sieht er die Politik jedoch auf dem Holzweg. „Wenn man den Bürger nicht mit einbezieht, dann verweigert er sich“, sagt der Experte. Vieles sei zu kompliziert, zu undurchsichtig. Die Kosten würden nicht transparent gemacht. „Entweder es gelingt ein vernünftiger Dialog, oder wir werden unsere Klimaziele nicht umsetzen können“, meint Krawinkel. (dapd)