Essen. . Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL, sieht den Tarifstreit im Bahnverkehr vor keiner Lösung. Im Interview mit DerWesten sagt er, die Unternehmen „sind jetzt am Zug“. Die Gewerkschaft schließt erneute Streiks in dieser Woche nicht aus.

Gespräche? Gibt es höchstens „hinter den Kulissen“. Aber offiziell, sagt Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL, herrscht derzeit Eiszeit zwischen Gewerkschaft und den Bahnunternehmen. Die bisherigen Warnstreiks haben die Fronten zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft eher verhärtet. Zur weiteren Streikplanung mag sich Weselsky nur allgemein äußern: möglich, dass in dieser Woche doch nochmal ein Warnstreik kommt. Keine der Streit-Parteien im Schienenpersonenverkehr, Bahn AG oder private Bahnunternehmen, ist bisher bereit, von sich aus das Gespräch zu suchen. Auch nicht die GDL.

Herr Weselsky, wann sind die Warnstreiks der Lokführer im Schienenpersonenverkehr endlich beendet?

Claus Weselsky: Es gibt bisher kein neues Angebot von Deutscher Bahn und den privaten Unternehmen!

Die Bahn AG und die privaten Unternehmen behaupten, die GDL würde sich Gesprächen versperren.

Claus Weselsky: Die DB AG und die privaten Unternehmen sind jetzt am Zug, auf uns Lokführer zuzukommen.

Bei den privaten Unternehmen heißt es, die GDL müsste sich dazu bei ihren Forderungen bewegen.

Claus Weselsky: Ich habe noch nie erlebt, dass eine Gewerkschaft die Tarifmacht hat, nach gescheiterten Verhandlungen, ohne ein neues und besseres Angebot zu erhalten, wieder in Verhandlungen eintritt. Dass kann man mit der GDL nicht machen!

„Die Bahn AG will uns in die Zange nehmen“

Wieso bestreiken die Lokführer eigentlich die Bahn AG, wo sie doch vor allem bei den privaten Unternehmen Verbesserungen erreichen wollen?

Claus Weselsky: Wir bestreiken die Bahn, weil sie keinen Flächentarifvertrag mit uns abschließt. Die DB ist auch nicht bereit, mit uns den Haustarifvertrag weiter zu entwickeln. Außerdem versucht uns die DB strategisch in die Zange zu nehmen: Sie knüpft neue Verhandlungen über einen Flächentarif an die Bedingung, dass wir die Hälfte der Lokführer bei den privaten Unternehmen unter den Tarif bekommen.

Und wie steht es um die Verhandlungen mit den privaten Bahnbetreibern?

Claus Weselsky: Die GDL ist ohne neues Angebot nicht bereit, zu verhandeln. Die Gespräche mit den Unternehmen waren Ende Januar gescheitert, weil sie mit uns keinen Flächentarifvertrag für Lokführer mehr abschließen wollen, da sie einen Vertrag mit der Eisenbahner-Verkehrs-Gewerkschaft (EVG) haben, der auch für Lokführer gilt. Das ist für mich ein K.o.-Kriterium. Die Vereinbarungen mit der EVG liegen unter unseren Forderungen und gelten zudem nur für den Personen-Nahverkehr.

GDL-Chef zeigt sich kompromissbereit

Was fordern Sie im Detail?

Claus Weselsky: Wir haben sechs Kernforderungen: Eine einheitliche Entgelttabelle, nach der sich alle Wettbewerber richten können, Zulagen für Nacht-, Sonn-, Feiertagsschichten und für Fahrerentschädigungen bei langen Anreisen für Schichtübernahmen und eine Regelung der Wochenarbeitszeit. Das muss für alle Bahnunternehmen gelten.

Die privaten Unternehmen beklagen, dass die GDL von ihnen 105 Prozent des Lohnniveaus der DB fordert.

Claus Weselsky: In diesem Punkt sind wir kompromissbereit. Wenn wir einen Flächenvertrag auf einheitlichem Niveau abschließen, sollen die privaten Unternehmen darin den Passus finden, dass sie das Lohnniveau langsam – über Jahre - an das Bahnniveau anpassen können. Im übrigen sollen die Privaten ihren Wettbewerbsvorteil gegenüber der Bahn in punkto Arbeitszeitregelungen behalten.

Verdienen Lokführer bei privaten Unternehmen tatsächlich so schlecht?

Claus Weselsky: Ein Lokführer bei der DB hat ein Einstiegsgehalt von 2295 Euro pro Monat. Im Schienenpersonenverkehr der privaten Konkurrenz bieten das bisher nur wenige Unternehmen in Deutschland. Es gibt aber Firmen, in denen Lokführer bis zu 30 Prozent weniger verdienen als bei der Bahn AG.

„Die privaten Bahnunternehmen versuchen sich klein zu rechnen“

Die privaten Unternehmen sagen, dass Sie die Forderungen der GDL wirtschaftlich nicht tragen können.

Claus Weselsky: Die privaten Bahnbetreiber verschanzen sich hinter der Mär, sie seien Mittelständler. Aber dahinter stehen internationale Großkonzerne wie Veolia, Keolis oder Arriva. Die versuchen sich klein zu rechnen. Das wollen wir nicht hinnehmen!

Inwieweit geht es bei dem Streit für die GDL auch darum, sich gegenüber der viel größeren Eisenbahn-Verkehrs-Gewerkschaft EVG zu behaupten?

Claus Weselsky: Wir haben 80 Prozent der Lokführer bei der DB organisiert und 70 Prozent der privaten Bahnen. Wir müssen uns da nicht der EVG unterordnen. Wenn die EVG selbst so viele Lokführer organisieren würde, hätte sie auch das Recht, für dieses Klientel einen Tarifvertrag abzuschließen.

Wie wichtig ist Ihnen die Akzeptanz bei den Bahnkunden?

Claus Weselsky: Wir sind uns bewusst, dass wir die Fahrgäste ein Stück weit verärgern. Wir werden stets das Wohl der Bahnnutzer im Blick haben und hatten zuletzt ja die Streikzeit so gelegt, dass Berufspendler am frühen Morgen nicht betroffen wurden. Außerdem werden wir Warnstreiks nicht länger als drei Stunden dauern lassen.

Wird es bei Warnstreiks bleiben?

Claus Weselsky: Wir werden sehen. Zurzeit läuft die Urabstimmung unter unseren Mitgliedern. Am 7. März haben wir das Ergebnis.