Moskau. Im Prozess um den Mord an Anna Politkowskaja sind alle vier Angeklagten freigesprochen worden. Die regierungskritische Journalistin war im Oktober 2006 im Treppenhaus ihres Moskauer Wohnhauses erschossen worden. Die Staatsanwaltschaft will Berufung einlegen.

Im Prozess um den Mord an der regierungskritischen russischen Journalistin Anna Politkowskaja sind die vier einzigen Angeklagten am Donnerstag freigesprochen worden. Unmittelbar nach der Verkündung der Freisprüche durch die Geschworenen in Moskau kündigte die Staatsanwaltschaft Berufung an. Die Hintergründe des Verbrechens bleiben damit bis auf Weiteres ungeklärt.

Freigesprochen wurden die tschetschenischen Brüder Ibrahim und Dschabrail Machmudow, die Politkowskaja beschattet und den mutmaßlichen Mörder am 7. Oktober 2006 zum Tatort gefahren haben sollen. Bei dem Todesschützen soll es sich um ihren Bruder Rustam Machmudow handeln, der in Westeuropa untergetaucht sein soll.

"Gesetzesbrüche während der Anhörungen"

Bei dem dritten, ebenfalls freigesprochenen Angeklagten handelt es sich um den ehemaligen Polizisten Sergej Chadschikurbanow, der bei dem Verbrechen logistische Hilfe geleistet haben soll. Freigesprochen wurde auch Pawel Riagusow, ein ehemaliger Agent des Inlandsgeheimdienstes FSB, der nicht wegen Beteiligung an dem Mord angeklagt war, sondern wegen Erpressung und Amtsmissbrauchs im weiteren Zusammenhang mit der Tat.

Die Staatsanwaltschaft kündigte Berufung gegen die Freisprüche an. «Natürlich werden wir Berufung einlegen, um uns über die Gesetzesbrüche während der Anhörungen zu beschweren», sagte die Staatsanwältin Julia Safina.

Politkowskajas Kinder verfolgten die Urteilsverkündung schweigend. Die Angehörigen der Journalistin kritisierten erneut, dass es den Ermittlern nicht gelungen ist, die Identität des mutmaßlichen Mörders nachzuweisen und die Hintergründe der Tat aufzudecken. «Wir haben noch alles vor uns», sagte die Anwältin von Politkowskajas Familie, Karinna Moskalenko. Nun müsse die Staatsanwaltschaft in Aktion treten. «Wir wollen die wirklichen Mörder, wir fordern sie, und wir werden sie bekommen.»

Journalistin berichtete über Folter in Tschetschenien

"Die Justiz hat gewonnen. Die Geschworenen haben bewiesen, dass sie Prinzipien haben, wir haben ein ehrliches Urteil», begrüßte der Verteidiger der Angeklagten, Murad Mussajew, das Urteil. Die vier Freigesprochenen wurden noch im Gerichtssaal auf freien Fuß gesetzt, wie ein Sprecher des Militärgerichts in Moskau mitteilte.

Die Journalistin war am 7. Oktober 2006 im Treppenhaus ihres Moskauer Wohnhauses erschossen worden. Sie gehörte zu den wenigen Journalisten in Russland, die über den Feldzug der russischen Truppen in Tschetschenien kritisch berichtet und schwere Menschenrechtsverletzungen angeprangert hatten.

Frühere Kollegen vermuten, dass Politkowskajas Tod im Zusammenhang mit einem geplanten Artikel über Folter in Tschetschenien stand. Sergej Sokolow, Chefredakteur der Zeitung «Nowaja Gaseta», für die Politkowskaja gearbeitet hatte, kündigte an, weiter nach den Schuldigen zu suchen. (afp)

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