Köln/Moskau. . 250 Tage haben sechs Männer simuliert, wie es ist, wenn man zum Mars fliegt. Jetzt sind die Astronauten ausgestiegen – zum abermals simulierten Spaziergang auf dem Roten Planeten.

Sechs Männer simulieren die weiteste Reise aller Zeiten. Sie kennen sich kaum, sie kommen aus vier verschiedenen Ländern, sie hocken in einer Röhre, und sie müssen miteinander klarkommen: Tag und Nacht, eineinhalb Jahre lang.

Was wie ein Alptraum klingt, dient der Erfüllung eines Menschheitstraums. Die Sechs simulieren einen Flug zum Mars. Am Montag war Halbzeit, und zwei der Männer durften mal kurz raus.

Der Russe Alexander Smoleewski und der Italiener Diego Urbina taten nach 250 Tagen so, als beträten sie den Roten Planeten. Dabei liegt ihr „Mars“ nahe am Roten Platz und ist im Grunde nur ein großer Sandkasten. Das „Raumschiff“, ein Container des russischen Instituts für Biomedizinische Probleme in einer Halle am Stadtrand von Moskau, erinnert innen mehr an eine Finnische Sauna als an die „Enterprise“: helles Holz, wenig Platz, und manchmal herrscht dicke Luft zwischen den Kosmonauten.

Hauptmann Oliver Knickel weiß, wie sich das anfühlt. Der 29-jährige Fallschirmjäger hat selber in dem Moskauer Container gesteckt, 105 Tage lang, zur Vorbereitung der aktuellen „Mars-500-Mission“. „Diese Isolation ist eine unglaubliche psychische Belastung. Man muss sich das vorstellen wie in dem Film ,Und täglich grüßt das Murmeltier’.

Die Extrem-Version von „Big Brother“ oder „Dschungelcamp“

Was ich heute mache, werde ich morgen tun und übermorgen und in 100 Tagen immer noch. Nach ein paar Wochen hat man sich jede Geschichte schon mal erzählt“, sagte Knickel gestern im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln, das eng mit den Weltraum-Experten in Russland zusammenarbeitet.

Der junge Offizier hat auf seinem Trip ein paar Lektionen fürs Leben gelernt. „Man darf, wenn man so dicht zusammen ist, nicht viel an sich selbst denken und muss sich auch dann zurücknehmen, wenn man im Recht ist.“ Es beginne so harmlos wie bei einem frisch verliebten Paar. „Zuerst lächelst du über eine Marotte, nach dem 20. Mal ist das nicht mehr so lustig, und am Ende macht dich das fast wahnsinnig.“

„Mars 500“ ist die Extrem-Version von „Big Brother“ oder „Dschungelcamp“. 180 Quadratmeter Platz bietet das Raumschiff, jedes Crew-Mitglied hat eine drei Quadratmeter kleine Kabine, darin ist ein schmales Bett, ein Tisch, ein Schrank. „Du hörst trotzdem alles, was draußen passiert“, erzählt Knickel. Jede Nachricht aus der Röhre braucht 20 Minuten, bis sie im Kontrollzentrum ankommt, als wäre die Crew tatsächlich 40 Millionen Kilometer von der Erde entfernt.

An zwei Tagen in der Woche tragen die Kosmonauten kleine Sender am Anzug. Die messen Distanz und Nähe zwischen den Männern, und so wird ablesbar, wer wen gut, schlecht oder gar nicht leiden kann. Ein echter Außenseiter, heißt es, ist nicht an Bord.

Die Psyche der Reisenden wird erforscht

In 30 Jahren könnten Menschen zum Mars fliegen. Vielleicht. Wenn die Welt den Preis dafür bezahlen und die Technik dann sicher sein sollte. Das deutsche Raumfahrtzentrum unterstreicht aber, dass „Mars 500“ heute schon ein großer Schritt für die Menschheit sei. Die deutsche Forschung ist mit 1,5 Millionen Euro und elf Experimenten beteiligt. Erforscht werden die Psyche der Reisenden und ihre Körperfunktionen.

Jens Titze von der Uni Erlangen-Nürnberg hat zum Beispiel den Speiseplan der Crew für die ersten 250 Tage festgelegt und dabei die Salzzufuhr schrittweise reduziert. Das Essen wurde also fader, aber der Blutdruck der Crewmitglieder verbesserte sich. „Mars 500 hat zum ersten Mal Langzeitdaten zu diesem Thema geliefert“, so Titze.

Große Nahrungsmittelhersteller haben bei dem Experiment mitgemacht und die Herren mit Babykost, Cornflakes und Fertigmenüs versorgt. „Alles Sachen, die man normal im Laden kaufen kann“, sagt Titze. Ab sofort gibt es russische Spezialitäten. Die Crew ist hart im Nehmen. Sie isst, was auf den Tisch kommt.