Mönchengladbach. . Mirco wurde von seinem Mörder sexuell missbraucht. Das teilte Hauptkommissar Ingo Thiel auf einer Pressekonferenz am Freitagmorgen mit. Der 45 Jahre alte mutmaßliche Täter Olaf H. hat die Tat gestanden.

In der Vernehmung am Mittwoch hat der 45 Jahre alte Olaf H. zugegeben, Mirco am 3. September aufgegriffen und getötet zu haben.

„Wir haben ihn“. Mit diesen Worten beginnt der Chef-Ermittler der "Soko Mirco", Hauptkommissar Ingo Thiel, die Pressekonferenz. Dabei nennt er auch Einzelheiten aus dem Verhör mit dem Täter. Der Mann hat zugegeben, Mirco am 3. September gegen 22 Uhr gesehen, von seinem Rad geholt und anschließend getötet zu haben. Die Polizei geht davon aus, dass Olaf H. Mirco sexuell missbraucht hat. Polizeipräsident Hans-Hermann Tirre sagte: "Der ersehnte und entscheidende Durchbruch ist uns gelungen. Damit ist uns eine große Last von der Seele genommen."

Und so liefen die Ermittlungen: Bereits zwei Tage nachdem Mirco verschwunden war, meldet sich ein Zeuge bei der Soko „Mirco“ und gibt den später entscheidenden Hinweis auf das Fahrzeug des Täters, einen silbernen VW Passat. 1500 Autos der Baureihe B6 haben die Ermittler in fast fünf Monaten untersucht, bis sie über einen Autohändler auf den neuen Besitzer des Täter-Fahrzeugs gekommen sind. Der Leasingvertrag des Flottenfahrzeugs eines großen Telekommunikationsunternehmens, bei dem Olaf H. angestellt ist, über das Fahrzeug war im November ausgelaufen. Er hat danach das Auto bei seinem Arbeitgeber abgegeben und ein neues erhalten.

Bis die Ermittler das in Deutschland als "stillgelegt" geltende Fahrzeug in einem Frankfurter Parkhaus Frankfurter finden, hat der Passat bereits eine Odyssee über Luxemburg und Russland hinter sich, wohin er zwischenzeitlich verkauft worden ist. Bei der Auswertung des Passats entdecken die Ermittler Faserspuren, die mit Mircos Kleidung übereinstimmen.

Zugriff um 6 Uhr morgens

Am Mittwoch erfolgt dann der Zugriff. Um 6 Uhr morgens stoppt ein Großaufgebot der Polizei vor dem Haus von Olaf H. in Schwalmtal. Die Familie des Täters reagiert überrascht und geschockt auf die Aktion. Olaf H. bleibt ruhig, lässt sich wortlos mitnehmen. Ihm wird eine Speichelprobe entnommen. Die DNA von Olaf H. haftet auch an der Kleidung von Mirco.

Bei den knapp zwei Tage andauernden und zähen Vernehmungen gibt Olaf H. die Tat schließlich zu. "Eine Meisterleistung des Vernehmungsteams", lobt Ingo Thiel seine Kollegen. Nach dem Geständnis habe der Festgenommene "erleichtert" gewirkt. Er habe erzählt, dass er in den Wochen und Monaten nach der Tat immer mit seiner Verhaftung gerechnet habe. Zwischenzeitlich habe er auch daran gedacht, sich zu stellen. Schließlich habe er sich diesen Schritt aus Angst vor Konsequenzen im Gefängnis jedoch nicht getraut. "Wer Kinder auszieht, missbraucht und umbringt steht auf der Feigheitsskala ganz unten", so Ingo Thiel.

Im Anschluss an das Geständnis führt ein reumütiger Olaf H. die Polizei zur Leiche Mircos in einem Waldgebiet. Der Fundort liegt sechs Kilometer weiter nördlich des Bereichs, den die Polizei bei der Suche nach dem Zehnjährigen durchkämmt hatte.

Mirco ein "Zufallsopfer"

Die Aussage: Olaf H. habe ausgesagt, dass er Stress mit seinem Chef gehabt habe und deshalb im Anschluss an das Gespräch mit seinem Vorgesetzten ziellos in der Region Goch, Kevelaer, Grefrath und Wachtendonk herumgefahren sei und ein Ventil für seinen Druck gesucht habe. "Er hat jemanden gesucht, auf den er Druck und Macht ausüben konnte. Also keinen gleichwertigen Gegner. Mirco war ein Zufallsopfer", so Ingo Thiel.
Gegen 22 Uhr habe er dann zufällig Mirco auf seinem Fahrrad gesehen, ihn überholt und ihm dann in einem Feldweg aufgelauert. Dann habe er Mirco gestoppt und ihm befohlen, von seinem Rad zu steigen. Der geschockte Junge gehorcht. Im Anschluss bugsiert Olaf H. Mirco in sein Auto und schiebt das Fahrrad in einen Graben. Das brennende Vorderlicht des Rads hat der Zeuge bei seiner Meldung an die "Soko Mirco" erwähnt.

Wie lange Olaf H. mit Mirco durch die Region fährt, ist noch nicht klar. Feststeht, dass er auf dem Weg in Richtung Geldern in einen Feldweg einbiegt und ein Waldstück ansteuert. Dort zieht er den Jungen aus. "Wir gehen davon aus, dass er dann sexuelle Handlungen an ihm vorgenommen hat", so Hauptkommissar Ingo Thiel.

Dann wird Olaf H. offenbar bewusst, dass er deshalb den Jungen nicht mehr lebend nach Hause lassen kann. Der Haftbefehl lautet deshalb unter anderem auf sexuelle Nötigung und Mord zur Verdeckung einer Straftat.

Wie Olaf H. Mirco umgebracht hat, möchte Ingo Thiel aus Rücksicht auf die Eltern des Jungen zunächst nicht in der Pressekonferenz verraten.

Die Familie von Olaf H. habe von der Tat nichts mitbekommen. Der mutmaßliche Mörder habe sich im Beruf, in der Familie und in der Nachbarschaft "völlig normal und unauffällig" verhalten. Er sei ein "treusorgender Vater" seiner 2, 14 und 17 Jahre alten Kinder gewesen.

Fast fünf Monate vermisst

Fast fünf Monate wird Mirco vermisst, fast fünf Monate sucht eine 60-köpfige Sonderkommission nach ihm. 9000 Hinweise aus der Bevölkerung gehen in dieser Zeit bei den Ermittlern ein.

Der damals Zehnjährige verschwindet am 3. September auf dem Heimweg von einer Skateranlage. An einer Bushaltestelle wurde der Junge gegen 21 Uhr das letzte Mal gesehen, sein Handy loggt sich wenig später das letzte Mal ins Netz ein. Dann verliert sich die Spur.

Was folgt, ist eine beispiellose Suchaktion: Tausende Polizeibeamte durchkämmen tagelang Wald, Wiesen und Felder rund um Grefrath. Im Straßengraben wird Mircos Fahrrad gefunden, einige Tage später meldet sich eine Zeugin, die die Trainingshose des Jungen auf einem Parkplatz in der Nähe einen Tag nach seinem Verschwinden gefunden und mit nach Hause genommen hatte. Daran können DNA-Spuren gesichert werden – die ersehnte heiße Spur bringen die Kleidungsfunde aber nicht. Zunächst setzen die Ermittler große Hoffnungen ins Handy. Es wird im November gefunden; unweit von jener Stelle, an der auch das Fahrrad gelegen hat. Doch wieder gibt es nicht den erhofften Durchbruch.

Passat war die heiße Spur

56 Tage nach dem Verschwinden des Jungen rücken die Ermittler dann einem dunkler Passat Kombi in den Fokus der Öffentlichkeit. Zeugen haben von einem ungewöhnlich langsam fahrenden Auto auf der Landstraße berichtet. Die Ermittler grenzen das Modell und Baujahr ein, rund 3200 Fahrzeuge dieses Typs kommen in der Region um Grefrath infrage. Soko-Leiter Ingo Thiel gibt sich kämpferisch: „Die Spurenlage ist dermaßen komfortabel, dass es eine Frage der Geduld und Sorgfalt ist, bis wir den Täter ermittelt haben“, sagt er Anfang Dezember. Und er bittet um Geduld. „Wir bleiben mit unserer Soko so lange hier, bis hier in der Region wieder Ruhe eingekehrt ist, weil wir den Täter mitgenommen haben“. Dieser Tag ist nun gekommen.