Essen/Grefrath. . Neue Details im Fall Mirco: Der mutmaßliche Mörder ist ein 46 Jahre alter, zweifacher Familienvater aus Schwalmtal. Gegen ihn wurde inzwischen Haftbefehl erlassen. Auf den Schock folgt in Grefrath erste Erleichterung.

Als Grefraths Bürgermeister Manfred Lommetz sich gestern auf den Weg zur Laurentius-Kirche macht, weiß er bereits, dass dies keine normale Gedenkfeier werden wird. Nicht an einem solchen Morgen!

Wie jedes Jahr erinnert sich der niederrheinische Ort zum Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz an einer Mahntafel seiner deportierten jüdischen Mitbürger. Doch am Ende dieser Feier hebt Lommetz an, eine traurige Nachricht zu verkünden: „Mircos Leiche wurde gefunden!“ Die Menschen vor ihm erstarren, sind geschockt, finden nur mühsam wieder Worte.

145 Tage lang suchte die Polizei nach dem zehnjährigen Mirco aus Grefrath. Sie ermittelt in Hochphasen mit einer 80 Mitarbeiter starken Soko. Sie schickt zwei Tornados mit Wärmebildkameras in den Himmel über Grefrath. Mircos Eltern richten verzweifelte Appelle via Fernsehen an den Täter, und Aktenzeichen XY nimmt sich des Falles an. Doch keine heiße Spur.

Die Ereignisse überschlagen sich

Am Mittwoch dann überschlagen sich die Ereignisse: ein Mann wird festgenommen, 45 oder 46 Jahre alt ist er, Vater zweier Kinder. Und vor allem: Er fährt einen silbernen Passat Kombi der Baureihe B6, genau jenes Fahrzeugs, das am Abend von Mircos Verschwinden auf der Landstraße zwischen Grefrath und Wankum gesehen wurde. Dort, wo später Arbeiter der Straßenmeisterei beim Mähen Mircos Handy im Dickicht einer Straßenböschung entdecken.

Der Festgenommene, er kommt aus der Region, er stamme, wie es bald heißt, aus dem nahen Schwalmtal. Er soll, laut Rheinischer Post, in zweiter Ehe verheiratet sein, Vater eines 18-jährigen Sohnes und einer dreijährigen Tochter. Täter und Opfer hätten sich nicht gekannt, so Oberstaatsanwalt Menden.

155.000 VW Passat dieses Typs B6 sind bundesweit gemeldet, 2500 allein in der Region um Grefrath. Rund 1300 dieser Autos hatte die Polizei bis Mittwochmorgen schon untersucht, hatte sogar - unbemerkt von der Öffentlichkeit - Tatverdächtige festgenommen. Doch immer war das Ergebnis negativ gewesen. Dieses eine Mal jedoch nicht. Donnerstagmittag erklärt der Krefelder Oberstaatsanwalt Menden den Fall Mirco für aufgeklärt. Es ist der Fall des unermüdlichen Soko-Chefs Ingo Thiel. Und allein die Tatsache, dass in ersten Berichten zu lesen ist, man sei durch einen Zufall auf den mutmaßlichen Täter gestoßen, bringt Polizeisprecher Willy Theveßen in Rage: „Das war kein Zufall, das war herausragende kriminalistische Arbeit!“

Polizei hält Informationen zunächst zurück

Noch ist vieles unklar, halten sich Polizei und Staatsanwaltschaft mit Informationen zu Täter und Fundort der Leiche zurück. Doch im Laufe des Tages verdichtet sich das Bild. Auch Schwalmtals stellvertretender Bürgermeister Bernd Gatner hat längst gehört, dass Mircos mutmaßlicher Mörder aus der Gemeinde stammen soll. „Es heißt, er sei erst vor wenigen Jahren zugezogen“, sagt Gatner.

Schon am Mittwoch laufen parallel zur polizeilichen Vernehmung des Mannes weitere Ermittlungen. Ob Mircos Leiche am Mittwochabend oder am Donnerstag früh gefunden wird, wann der mutmaßliche Täter den Ort verraten hat, diese Information mag die Polizei nicht geben, spart sie sich für eine Pressekonferenz am Freitag auf.

Grefrath, der 16.000-Einwohner-Ort am linken Niederrhein, befreit sich nur langsam aus der Schockstarre, schwankt zwischen Trauer, Wut und Erleichterung. Ein Gerücht jagt das andere, wo nun Mircos Leiche gefunden worden sein soll. Mal heißt es nahe der Autobahn A 40, dann in der Nähe von Grefrath, schließlich bei Schwalmtal.

„Es läuft mir eiskalt den Rücken herunter“

Bald fünf Monate lebte man mit der Ungewissheit, mit dem enormen Fahndungsdruck. Auch gestern Abend zünden die Menschen Kerzen an, an Orten, an denen sie Mircos gedenken. Sie rücken zusammen, teilen das Entsetzen.

„Es ist gut, dass das alles nun ein Ende hat, wenn auch ein trauriges“, sagt Gabriele Kox, die Inhaberin einer Tankstelle. Auch sie habe sich dabei ertappt, jeden vorbeifahrenden Wagen für verdächtig zu halten. Kox blickt von ihrer Tankstelle aus direkt auf Mircos Elternhaus. „Und wenn ich Mircos Hund bellen höre, dann läuft es mir eiskalt über den Rücken“, erzählt die Frau.

Das Elternhaus von Mirco, es ist ein kleines Ziegelhaus. In einem seiner Fenster steht mit gelber Schrift geschrieben: „Lass Dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit dem Guten“, ein Bibelzitat aus einem Römerbrief. Und auf dem Türschild prangt noch immer sein Name: Mirco.