Berlin. . Nach Thilo Sarrazin beschäftigt nun seine Frau die Republik: Die Grundschullehrerin soll Schüler gedemütigt und zu hart angefasst haben. Mehrfach sollte sie versetzt werden, sieht sich aber nun selbst als Opfer.

Ein Ehepaar beschäftigt die Republik: Kaum ist die Diskussion um Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ etwas abgeebbt, da füllt der Name schon wieder die Schlagzeilen. Diesmal geht es allerdings nicht um den umstrittenen Ex-Finanzpolitiker und Ex-Bundesbankvorstand, sondern um seine Frau Ursula.

Was kann so spannend an einer 59-jährigen Grundschullehrerin sein, dass seit knapp zwei Wochen kaum ein Medium an ihr vorbeikommt?

Eines ist klar: Ohne den berühmten Mann wäre sie nur eine von vielen deutschen Lehrern, die alle paar Jahre an eine andere Schule versetzt werden, weil die Betroffenen es mit ihnen nicht aushalten.

Bei Frau Sarrazin ist das anders: Sie bringt ihren Mann in Stellung, wenn es Ärger gibt. Jahrelang konnten Eltern, Schulleiter und Schulräte nichts ausrichten gegen die Lehrerin, weil eine erzwungene Versetzung offenbar nicht opportun erschien: Wie hätte es ausgesehen, wenn Berlins SPD-Bildungssenator Jürgen Zöllner die Frau seines Kabinettskollegen und Parteifreundes gegen ihren Willen einer anderen Schule zugeteilt hätte?! Also hoffte man auf Mäßigung.

Diese Hoffnung ist zerstoben, seitdem sich Eltern vor zwei Wochen erneut an die Öffentlichkeit wandten. Sie sprechen davon, dass Sarrazin die Kinder demütige, dass Schüler weinend Hilfe vom Rektor geholt hätten und bitten die Schulaufsicht „inständig“, sich dieser Thematik anzunehmen.

Kampf über die Presse

Die Eltern mögen geglaubt haben, dass sie diesmal Gehör finden, weil Thilo Sarrazin nicht mehr am selben Kabinettstisch sitzt wie der zuständige Bildungssenator. Irrtum. Wohl wissend, dass seine SPD-Verbindung ihm nicht mehr helfen kann, wandte sich Thilo Sarrazin nämlich augenblicklich an die Springer-Presse – mit einer eigenwilligen Interpretation des Vorgangs. So konnte man lesen, seine Frau sei lediglich „streng“ und „engagiert“ und werde wohl wegen seiner politischen Thesen „in Sippenhaft“ genommen. Auch der Hinweis darauf, dass die Beschwerden von türkischstämmigen Eltern kämen, tat seine Wirkung: Im Nu solidarisierten sich Anhänger der Sarrazinschen Buch-Thesen mit der umstrittenen Grundschullehrerin. Und prompt bekam der Schulleiter Drohbriefe vom rechten Rand, in denen er wegen der Unterstützung der kritischen Eltern beschimpft wurde. Der Staatsschutz musste einschreiten.

Die Wahrheitsfindung ist nicht einfach. Wer Frau Sarrazin gegenübersitzt, sieht eine schlichte, sportlich gekleidete Frau mit offenem Blick, die ruhig alle Vorwürfe abschmettert. Ob sie Kinder und Lehrer anschreit? Nein. Ob sie Erstklässler daran gehindert hat, auf Toilette zu gehen, so dass sie einnässten? Nein. Ob sie Kinder als Schmarotzer be­zeichnet hat? Nein. Ob Kinder wegen ihr beim Schulleiter geweint haben? Nein. Ob sie einen Jungen mit der Blockflöte geschlagen hat? Nein.

Man möchte ihr glauben, denn sie hat selbst zwei Kinder. Möchte auch ihrem Mann glauben, der sagt, das alles sei nur „erklärbar durch die verrotteten Berliner Strukturen“.

Dann aber erfährt man, dass sie bereits in ihrer Zeit in Mainz vor rund 15 Jahren Eltern zur Verzweiflung getrieben hat. Dass es auch damals schon Kinder gab, die in andere Klassen wechseln wollten, um sich vor dieser Lehrerin in Sicherheit zu bringen, wie eine Mainzer Pädagogin bestätigt.

Probleme auch in zwei anderen Schulen

Und dann wundert man sich nicht mehr darüber, dass es nicht nur in ihrer jetzigen Schule und nicht nur in Mainz, sondern auch an ihrer Zwischenstation in einer anderen Berliner Schule massive Probleme gab. „Wir waren so verzweifelt, dass wir unsere Kinder von der Schule abmeldeten“, berichten Eltern das Ergebnis des Schuljahres 2001/02. Damals verließ Ursula Sarrazin freiwillig die Schule – wegen bestimmter „Auseinandersetzungen“, wie sie es nennt.

Nochmals will sie keinen Schulwechsel. Das hat sie klar gemacht.

Klar ist aber auch, dass der Bildungssenator die Sache nicht weiter ignorieren konnte. Sein Personalchef hat am Montag die Aufgabe bekommen, die aktuellen Vorwürfe zu klären. Parallel bringt Thilo Sarrazin seine Anwälte in Stellung: Sie sollen kritische Elternvertreter, die sich an die Öffentlichkeit gewagt haben, mit Klageandrohungen in Schach halten. Möglicherweise geht alles so aus wie 2008 und 2009, als versuchte Versetzungen schon mal scheiterten. Dann bliebe wieder nichts anderes übrig, als Ursula Sarrazins Unterrichtsstunden auf möglichst viele verschiedene Klassen zu verteilen, „damit die Kinder zwischendurch durchatmen können“, wie es ein Pädagoge formuliert.