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Islamkritische Äußerungen des Vorsitzenden der Evangelischen Kirche, Präses Nikolaus Schneider, stoßen bei Muslimen auf Protest. „Die evangelische Kirche hat den Hang dazu, belehrend aufzutreten. Das finden wir nicht gut“, so der Zentralrat der Muslime.

Mit seiner Islam-Kritik hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, für Unmut beim Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) gesorgt. Aus der Wissenschaft erhält Schneider teilweise Zustimmung für seine Äußerungen.

Der Islam trete „von Aufklärung und Religionskritik kaum irritiert in unserer Gesellschaft auf“. Insbesondere dieser von Schneider in seinem an die Synode der rheinischen Landeskirche gerichteten Jahresbericht geäußerte Satz verärgert den Zentralrat der Muslime: „Niemandem steht es zu, eine Religion zu kritisieren und zu bewerten, ob sie eine Aufklärung nötig hat oder nicht“, sagte ZMD-Generalsekretärin Nurhan Soykan im Gespräch mit dieser Zeitung. Der Islam stehe für Toleranz und gegenseitigen Respekt. Sie wolle nicht andere Religionen kritisieren, sondern „im Guten mit ihnen wetteifern“.

Chef des Zentralrats geht auf Distanz

Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime hat „vollstes Verständnis dafür, dass christliche Vorsteher im Islam eine Herausforderung sehen. Schließlich predigt er den Monotheismus in der reinsten Form, setzt keinen Sohn oder Tochter neben Gott und sagt, dass jeder Mensch für sich alleine verantwortlich ohne Erbsünde ist. Nicht wenige Muslime würden hinter diesen Positionen eine Variante des aufgeklärten Christentums erkennen. Jesus ist ein hoch angesehener Prophet im Islam, so wie auch seiner Mutter Maria eine ganze Sure im Koran gewidmet ist. Gottes Barmherzigkeit würde im Islam niemals zulassen, dass Propheten ans Kreuz geschlagen werden.“

Nikolaus Schneider, der auch Präses der rheinischen Landeskirche ist, erläuterte auf Nachfrage dieser Zeitung die Hintergründe seines Vorstoßes. Aufklärung und Islam – wie passt das zusammen? „Es geht mir darum, dass wir einen auf Augenhöhe wissenschaftlich arbeitenden Islam bekommen“, argumentiert Schneider. Er begrüße, dass deutsche Universitäten jetzt damit begännen, Imame auszubilden. „Wenn der Islam an den Universitäten wissenschaftlich arbeitet, setzt er sich auch mit unserer wissenschaftlichen und kulturellen Geschichte auseinander; auch mit unserer Aufklärung“, sagte Schneider weiter. Daraus folge dann, dass sich der Islam auch mit der historisch-kritischen Betrachtung des eigenen Glaubens beschäftige. Statt den Koran wortwörtlich auszulegen, wird dabei auch die historische Entstehung des Koran bei der Auslegung berücksichtigt. „Ich meine das ganz und gar nicht hochmütig“, fügte Schneider hinzu, sondern eher demütig. Denn auch die Kirchen hätten einen langen Weg bis dahin zurücklegen müssen. „Aber erst ein Islam, der an unseren Universitäten mit den Naturwissenschaften, der Philologie, mit allen Zweigen gesprächsfähig ist, ist in unserer Gesellschaft verankert.“

Trennung von Staat
und Kirche

Zugleich kritisierte der Präses einen „exportierten Islam“, also Imame, die aus anderen Ländern kommen und hier nicht in deutscher Sprache predigen. „Das hilft den Menschen hier relativ wenig, wenn Imame aus Anatolien kommen und aus der Lebenswirklichkeit aus Anatolien predigen.“ Imame müssten aus dieser Lebenswelt kommen, sie sollten diese Gesellschaft kennen.

Aufklärung, das meint nach Kant den „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ und beinhaltet den radikalen Zweifel an Dogmen, die Besinnung auf Vernunft und Individualität sowie in der Folge die Trennung von Staat und Kirche. „Da gibt es in islamischen Staaten einiges nachzuholen“, stellt der Islamwissenschaftler Jochen Hippler von der Universität Duisburg-Essen fest. Ein akademisch geprägter Islam würde eine Normalisierung und Gleichheit im Verhältnis zum Christen- und Judentum bedeuten. „Auf einer philosophischen Ebene hat Präses Schneider Recht“, so Hippler. Doch die Forderung nach einem aufgeklärten Islam sei ihm zu sehr auf die akademische Frage verengt. „Wichtiger ist es, Muslime als Teil der Gesellschaft gleichzustellen. Dazu gehören dann auch die entsprechenden Einrichtungen an den Hochschulen.“ Doch die Betonung dort müsse auf der Wissenschaft, nicht auf der Religion liegen.

Einen akademisch geprägten Islam gebe es bislang in Deutschland nicht, ergänzt Rüdiger Arnzen vom Seminar für Orientalistik und Islamwissenschaften der Ruhr-Uni Bochum. Der Aufbau von Islam-Studienzentren zur Ausbildung von Imamen und islamischen Religionslehrern in Tübingen, Münster und Osnabrück soll diesem Mangel abhelfen.