Essen.

Eis und Schnee behindern die Menschen in ihrer Mobilität. Der Westen zeigt, was in Zukunft besser gemacht werden müsste, damit es wieder flutscht.

Die Deutschen wollten weiße Weihnacht. 75 Prozent finden sie schön, ermittelte Al­lensbach. Die Umfrage fand vor dem ersten Schneefall statt. Doch die mobile Gesellschaft ist lahmgelegt, seit vor drei Wochen das Winterwetter heftig einsetzte. Lässt sich künftig Frost-Frust im Verkehr vermeiden? Fünf Probleme, die wir dafür lösen müssen.

Problem Lkw

Vor allem die „gebirgigen“ Au­tobahnen wie A 3 (Westerwald), A 45 (Sauerland) und A 61 (Eifel/Hunsrück) hat es erwischt. Lkw stellen sich auf Steigungen quer. Nichts geht mehr. Die Folge: Totalsperrungen und dutzende Kilometer Stau. Fehlt eine Winterreifenpflicht für Lkw? Dass Brummifahrer mit Fahrzeugen über 3,5 Tonnen Winterbereifung nur auf die Antriebsachsen aufziehen müssen, macht technisch Sinn. Dass Laster an Steigungen liegenbleiben, hat eher mit der begrenzten Zugkraft zu tun, die auf Schnee und Eis einfach nicht ausreicht. Generelle Fahrverbote haben auch ungute Effekte, weil der Straßengüterverkehr einen Großteil der Lebensmittelversorgung erledigt. Dann drohen Versorgungsengpässe.

Lösung: Der Einsatz von Taumittel-Sprühanlagen er­leichtert den schweren Fahrzeugen das Wiederanfahren an Steigungen. Mehr digitale Hinweistafeln sind nötig, die vor den Wetterverhältnissen warnen können. Beides fehlt auf 90 Prozent der Autobahn-Kilometer.

Problem Schlagloch

Durch den langen Winter 2009/2010 waren rund 30 bis 40 Prozent der Straßen beschädigt. (TÜV Rheinland). Bun­desweit ist dadurch ein Schaden von 2,5 Milliarden Euro entstanden. Die Kommunen haben kein Geld und durften auch keine Mittel aus den Konjunkturprogrammen ab­zweigen. Deshalb konnten viele Löcher in Fahrbahnen nicht vor dem neuen Wintereinbruch repariert werden. „Vieles wurde nur notdürftig ge­flickt“, beklagt der Städtetag. Jetzt geraten erneut Schnee und Wasser in die noch be­schädigten Stellen, gefrieren – und entwickeln zum zweiten Mal große „Sprengkraft“. Ein Teufelskreis. Vielleicht wird nach diesem Winter auf vielen Strecken eine weit teurere Grundsanierung notwendig.

Lösung: Statt Flickschustern durch Warntafeln oder Nachgießen von kaltem As­phalt sollte es ganzjährig ein „gut organisiertes Erhaltungsmanagement“ geben, das auch den Unterbau mit einschließt, wie der ADAC fordert. Kommunen und Länder müssen über die notwendige Finanzierung reden.

Problem Streudienst

Zwar ist auch Streugut knapp, aber eine „nationale Streusalz-Reserve“ ist Politikergerede. Immerhin sind viele Autobahnen zwei Tage nach dem Heiligabend-Chaos wieder be­fahr­bar. Dagegen fallen Unterschiede in den Städten auf, und Nebenstraßen sind überall nicht geräumt. Die Straßenbahnen in Bochum und Gelsenkirchen konnten gestern fahren, die in Essen vielfach nicht. Sie kamen nicht durch. In Essen, das über ein Viertel weniger Streufahrzeuge verfügt als Düsseldorf, gibt es zahlreiche Beschwerden. Wie gut Straßen nutzbar sind, hängt also meist vom kommunalen Winterdienst ab.

Lösung: Bürgern werden Vorschriften gemacht, wie sie Gehwege von Schnee und Eis zu säubern haben. Warum nicht den Städten? Landesweite klare Qualitätsvorgaben würden weiterhelfen.

Problem Bahn

Eingefrorene Weichen. Zu we­nig Züge. Verstopfte Toiletten. Drastische Verspätungen und Totalausfälle. Das ist die Lage im 26 000 Kilometer großen Bahnnetz. „Ich kann mir das nicht mehr weiter anschauen“, hatte Bahnchef Grube nach den ersten kalten Tagen im November gesagt. Tatsache ist: Das Winterdrama hatte sich in internen Berichten schon im Oktober abgezeichnet. Aber Grube trägt eine Erblast. Unter Vorgänger Mehdorn wurden Weichenheizungen ausgebaut, Werkstätten ge­schlossen, auf genügende Kontrolle der Achsen verzichtet. Jetzt müssen die 252 ICE-Züge zehnmal so häufig zum Check wie vor dem Achsbruch-Unglück von Köln – und im harten Winter vor den Werkstattaufenthalten noch mehrere Stunden enteist werden. Bei den ICE fehlt jede Reserve. Auf Hochgeschwindigkeitsstrecken darf nur noch Tempo 200 gemacht werden, weil abbrechende Eisbrocken Waggons beschädigen. Im Nahverkehr ist veraltetes, kälteempfindliches Material un­terwegs. 10 000 Mitarbeiter im Winterdienst sind nur schwer schnell genug an plötzliche Räum-Brennpunkte zu bringen.

Lösung: Erste Ansätze, um­zusteuern, sind richtig. Weichenheizungen sind wieder einzubauen. Die Bestellungen neuer ICE-Züge sind zu beschleunigen, Engpässe durch Ausleihen bei Nachbarbahnen auszugleichen. Vor allem: Die interne Information (welche Züge fallen wirklich aus) und die der Kunden (wann gibt es den nächsten Anschluss?) ist zu verbessern.

Problem Flughäfen

Die Airports in Frankfurt und Düsseldorf, aber auch in London und Paris lagen tagelang lahm. Die Lufthansa musste 25 000 Hotelzimmer für ge­strandete Passagiere reservieren. Die EU droht Flughafengesellschaften mit gesetzlichem Eingriff. Grund: In Skandinavien braucht es acht Minuten zum Räumen einer Startbahn, in Deutschland 20 Minuten.

Lösung: Nicht nur die Fluggesellschaften sollten für so verschuldete Verspätungen haften, auch die Flughäfen.