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Das Angebot von DerWesten, auf einer Seite anonym Dokumente hochzuladen und Mails mit Recherchehinweisen abzuschicken, findet eine überaus positive Resonanz: Es sind bereits etliche Schriftstücke eingegangen.

Das neue Angebot von DerWesten, verschlüsselte, heikle Dokumente mit Hinweisen auf mögliche Rechercheansätze anonym an die Zentralredaktion der WAZ-Mediengruppe abzuschicken, stößt auf positive Resonanz. Es sind bereits etliche Schriftstücke eingegangen, die nun geordnet, gesichtet und ausgewertet werden. Die Dokumente sind für das Recherche-Team um David Schraven nur der Anstoß für ihre journalistische Arbeit. Neu sei diese Vorgehensweise in dem Sinne auch nicht, betont Ressortleiter Schraven. „Auch heute kriegen wir Post mit Dokumenten und Hinweisen, auch anonym. Wir bieten mit der neuen Kontaktseite unseren Lesern nur eine weitere technische Möglichkeit an, uns direkt anzusprechen“ - das scheint zu funktionieren.

Auch die Medienresonanz auf das Projekt fiel prositiv aus. Unter der Überschrift „Jetzt leckt es auch im Westen“ berichtet beispielsweise die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ über das Angebot von DerWesten, auf einer Seite anonym Dokumente hochzuladen und Mails mit Recherchehinweisen zu schicken. Der Artikel im Wortlaut:

Als David Schraven und sein Arbeitgeber, die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ), die Geister riefen, ahnten sie nicht, dass es schwer werden könnte, sie zu verstehen. Doch vier Tage nachdem die WAZ den nach Eigenwerbung „ersten anonymen Datenupload einer Zeitung im deutschen Internet“ freigeschaltet hat, steht fest: Schraven braucht einen Übersetzer. Eines der 24 Dokumente, die Anonyme bisher über die Internetseite hochgeladen haben, stammt nach erster Durchsicht zwar offenbar aus dem Umfeld der Vereinten Nationen. Genaueres weiß Schraven aber erst, wenn er das Dokument jemandem vorgelegt hat, der Arabisch spricht.

Wenn man den Worten Schravens folgt, dann steht dieses Schriftstück exemplarisch für die Art und Weise, in der das ihm unterstellte vierköpfige WAZ-Rechercheressort mit Hilfe der Internetseite in Zukunft arbeiten möchte: Anders als Wikileaks oder das von ehemaligen Mitstreitern des Wikileaks-Gründers Julian Assange geplante und bis zum Redaktionsschluss noch nicht freigeschaltete „Openleaks“ will Schraven nicht in großen Mengen Dateien sammeln und ins Internet stellen. Der erste Schritt sei, zu sichten und zu prüfen. Erst am Ende, wenn überhaupt, wolle er die relevanten Dokumente zu einer Geschichte online verfügbar machen. „Wir nehmen die Papiere als Ausgangspunkt für weiterführende Nachforschungen“, sagt der Journalist, „ein Dokument allein ist noch gar nichts.“

Der Vierzigjährige, der im Mai von der „Welt“ zur WAZ gewechselt war, betreibt ganz gern Understatement, wenn er über die Seite redet, die unter derwesten.de/recherche zu erreichen ist. Was er und seine Kollegen machten, sei weder neu noch Hexenwerk. „Die Idee war, die technischen Möglichkeiten zu nutzen und einen neuen Kanal zu öffnen, damit Leser und Informanten mit der Redaktion in Verbindung treten können“, sagt Schraven. Die Seite sei daher zuerst als Kontakt-möglichkeit gedacht. Tatsächlich finden sich dort Schravens Büronummer und Verlagsanschrift.

Wer Dokumente zu Themen wie der Loveparade-Katastrophe, zu Rechtsextremismus oder Unregelmäßigkeiten bei nordrhein-westfälischen Bauvorhaben an die WAZ sendet, dem sichert Schraven Anonymität zu: Der Informanten- und Datenschutz stehe im Vordergrund. Die hochgeladenen Dateien würden per Verschlüsselung geschützt, und auch die Übertragung sei mit der etwa vom Onlinebanking bekannten SSL-Verschlüsselung gesichert. Natürlich berge die absolute Anonymität die Gefahr, dass Informationen falsch seien oder dass der Absender die WAZ-Journalisten instrumentalisieren wolle. „Aber das ist das jahrhundertealte, journalistische Geschäft: Man muss sich eben fragen, was der andere für eine Agenda verfolgt, wenn er etwas preisgibt“, sagt Schraven.

Sollten bei ihm und seinen Kollegen brisante Dokumente auftauchen, die seinen Arbeitgeber betreffen, will der Journalist im Übrigen ganz professionell reagieren: „Wenn da eine Story ist, dann wird sie auch gemacht.“