Berlin. .

Die verbesserten Ergebnisse deutscher Schüler bei der Pisa-Studie haben für Erleichterung bei Politikern und Lehrern gesorgt. Der DBG aber warnt vor Euphorie. Vor allem sozial schwächere Schüler müssten nun besonders gefördert werden.

Die Politik muss sich nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) darauf konzentrieren, die soziale Ungerechtigkeit im Bildungsbereich zu überwinden. Anlässlich der am Dienstag in Berlin vorgestellten PISA-Studie 2009 forderte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock von Bund und Ländern gemeinsames Vorgehen: Mit zwei Milliarden Euro ließe sich ein flächendeckendes Maßnahmen gegen soziale Brennpunkte schaffen.

Die aktuelle PISA-Studie habe gezeigt, dass vor allem Jugendliche an Schulen in armen Stadtvierteln besonders benachteiligt werden. Die Politik müsse sich deshalb auf die sozialen Brennpunkte konzentrieren und hier gezielt Angebote schaffen, erklärte Sehrbrock. Beim Ausbau der Ganztagsschulen habe bisher die Förderung von Schulbauten und offenen Angeboten im Mittelpunkt. „Jetzt brauchen wir mehr Qualität.“ Nötig seien mehr Schulsozialarbeiter an Brennpunktschulen. Herkömmliche Kindergärten sollten in Brennpunkten zu Eltern-Kind-Zentren ausgebaut werden, die auch Eltern unter anderem Beratung anböten. Mit dem Sprachförderprogramm der Bundesregierung für Kitas werde hier ein wichtiger Schritt für mehr Chancengleichheit unternommen.

Integrationsoffensive an Schulen gefordert

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Gar als „integrationspolitisches Armutszeugnis“ bezeichnet der Paritätische Wohlfahrtsverband die Ergebnisse der neuesten PISA-Studie. Die Ergebnisse belegten, dass Integration ohne die Einbindung der Eltern zum Scheitern verurteilt ist. Der Verband fordert eine durchgängige Sprachförderung, mehr Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund sowie die Öffnung der Schulen zu Integrationszentren.“

„Trotz gradueller Verbesserungen ist die Bildungskluft zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund nach wie vor dramatisch. Insbesondere männliche Jugendliche, in deren Familien zu Hause nicht Deutsch gesprochen wird, sind die Verlierer unseres verkrusteten Bildungssystems und bleiben auf der Strecke“, kritisiert Eberhard Jüttner, Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Der Verband fordert eine umfassende Integrationsoffensive an deutschen Schulen, um die Bildungschancen junger Migrantinnen und Migranten nachhaltig zu verbessern. „Unsere bildungspolitischen Probleme lassen sich nicht in Amtsstuben lösen. Die Schule selbst muss zum Integrationszentrum werden und sich für die Familien und die Gesellschaft öffnen. Schule muss alle mitnehmen“, fordert der Verbandsvorsitzende.

„Deutschland ist aufgestiegen, von der zweiten in die erste Liga“

Auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan sieht trotz der Verbesserungen deutscher Schüler noch deutlichen Handlungsbedarf. Die Anzahl der Schüler in Risikogruppen sei gegenüber 2000 zwar gesunken. „Das ist aber kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen“, sagte die CDU-Politikerin. Gerade für benachteiligte Kinder müsse noch mehr getan werden.

Schavan fügte hinzu: „Zehn Jahre PISA-Studien haben dem deutschen Bildungssystem gut getan.“ Die besseren Ergebnisse seien in erster Linie den Schulen, den Lehrern und der veränderten Einstellung zum Lernen und zur frühkindlichen Bildung zu verdanken.

Der Leiter des Berliner OECD-Büros, Heino von Meyer, sagte: „Deutschland ist aufgestiegen, von der zweiten in die erste Liga“. Von der Champions League sei Deutschland aber noch weit entfernt. Angesagt sei daher „Training, Training, Training“.

Rückstand zur Spitze weiter groß

Fakt ist: Die deutschen Schüler holen im internationalen Vergleich allmählich auf. Die 15-Jährigen wurden im Lesen in den vergangenen Jahren stärker, im Vergleich mit den übrigen OECD-Staaten sind sie aber weiter Mittelmaß. In Mathematik und Naturwissenschaften schneidet Deutschland erneut besser ab als der Durchschnitt der OECD-Länder. Der Rückstand gegenüber Spitzenreitern wie Südkorea oder Finnland ist aber nach wie vor groß. Am besten sind durchweg Schüler aus Asien.

Der Deutsche Philologenverband hat die Ergebnisse der jüngsten PISA-Studie als verdienten Erfolg von Schülern, Lehrern, Eltern und der Bildungspolitik gewertet. In Mathematik und den Naturwissenschaften gehöre Deutschland inzwischen zum oberen Leistungsdrittel der OECD-Länder und zu der ganz kleinen Gruppe von Ländern, die sich seit PISA 2000 bei jedem Test kontinuierlich verbessert hätten, erklärte Verbandschef Heinz-Peter-Meidinger.

Er nannte es nicht überraschend, dass bei der Lesekompetenz der 15-Jährigen noch kein Sprung nach vorne sichtbar sei. Er führte es unter anderem auf mangelnde Vorbilder in den Elternhäusern zurück und verwies auf die mangelnde Sprachfähigkeit in vielen Migrantengruppen in Deutschland.

Warnung vor der „Lern- und Drillkultur“ asiatischer Länder

Meidinger sagte, PISA solle nicht überbewertet werden. Die Ergebnisse erfassten nur einen kleinen Ausschnitt der schulischen Realität in Deutschland. Beispielsweise würde die Qualität des besonders guten Fremdsprachenunterrichts an weiterführenden Schulen und auch die musische, ethische und historische Bildung komplett ausgeblendet.

Der DPhV-Vorsitzende warnte zudem davor, angesichts der guten Ergebnisse asiatischer Länder deren „Lern- und Drillkultur“ als Vorbild anzupreisen. Vorbildhaft sei der hohe Stellenwert, den Bildung in China, Japan, Südkorea oder Singapur genieße, nicht aber der unabdingbare, privat finanzierte tägliche Zusatzunterricht dort. Jedes Land habe seine besonderen Verhältnisse. (dapd)