Berlin. .

Es ist die Chronik einer seltsamen Beziehung: George W. Bush rechnet in seinen Memoiren mit Gerhard Schröder ab. Es geht um die Irak-Politik. Schröder meint, Bush sage nicht die Wahrheit.

Einer von ihnen sagt die Unwahrheit. Bloß wer? Gerhard Schröder oder George W. Bush? In seinen

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Memoiren rechnet der frühere US-Präsident mit dem Altkanzler ab. Es ist die Chronik einer seltsamen Beziehung. Sie handelt vom Gelübde einer „uneingeschränkten Solidarität“ in Afghanistan und endet im Zerwürfnis über den Irak-Krieg. Bush fühlte sich erst bestärkt und dann von Schröder gelinkt. Auch der SPD-Mann arbeitet sich an Bush ab. Im Verzeichnis seiner Memoiren kommt der Texaner immerhin 24 Mal vor.

Entscheidend sind zwei Treffen, eines am 31. Januar 2002 in Washington, ein weiteres vier Monate später in Berlin. Der Umgang ist herzlich. Bush nennt ihn „my old friend Görard.“ Aber bei Schröder hat – ein Jahr vor dem ersten Bombenabwurf auf Bagdad – schon der Prozess einer Entfremdung begonnen.

Am 31. Januar 2002 sitzen Bush und Schröder bei einem Dinner zusammen. Es gibt erst Krabben und dann Hirschlende. Dem Gast aus Deutschland liegt was anderes schwer im Magen. Er erzählt vom Verhältnis der Europäer zum Krieg und deutet seine Bedenken gegen einen neuen Waffengang an. Dass die USA das erwägen, ist ihm klar.

Strategie gebilligt?

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Tatsächlich hat der Präsident seine Kriegspläne sorgsam ventiliert. Er ist nicht wie Zieten aus dem Busch gekommen. Heute behauptet er, dass der Kanzler seine Strategie billigte: „Was für Afghanistan richtig war, ist auch für den Irak richtig.“ Doch der Kanzler fühlt sich verkürzt wiedergegeben. Das stimme, sofern es darum gehe, gemäß der Entschließung des UN-Sicherheitsrates zu handeln, wonach kein Land ungeschoren davon komme, das Terroristen beherberge, schütze oder sonst begünstige. Schröder bekräftigt, „dann, aber nur dann, hätten uns die USA an ihrer Seite.“

Am 22. Mai wird der Präsident in Berlin erwartet. Am nächsten Tag soll er vor dem Bundestag reden. Wieder sitzen sie beim Essen zusammen. Wieder wird es ein denkwürdiges Treffen. Schröder ist irritiert. Immerzu beruft sich Bush auf Gott. Seine Entscheidungen seien die Folge des Gespräches mit Gott. Das ist Schröder so was von fremd! Die Absolutheit, schreibt er in seinen Memoiren, „verstärkte meine politische Skepsis.“

Amerikaner geben unter der Hand andere Informationen

Die Amerikaner geben von den Gesprächen unter der Hand eine ganz andere Version wieder. Sie hatten auf den Busch geklopft und den Kanzler so vernommen: „Wenn Sie es schnell und entschieden erledigen, bin ich mit Ihnen.“ In der Kriegsfrage wähnte Bush ihn auf seiner Seite. Er nimmt an, dass er allenfalls Rücksicht auf den deutschen Wahlkampf 2002 nehmen muss. Am Rande der UNO fragt er Mitte September Außenminister Joschka Fischer noch gutgelaunt: „Wann ist diese verdammte Wahl vorbei?“ Am 22. September. Aber: Vorher hatte Wahlkämpfer Schröder das Thema hochgezogen. Es ist eine spontane, ganz persönliche Entscheidung, aus dem Moment geboren.

Im August sitzen sie im SPD-Präsidium zusammen und beraten über den „dritten Weg“. Schröder geht aus der Sitzung raus und wird dem Heute-Journal zugeschaltet. Zurück kommt er mit dem Hinweis, statt über den dritten Weg habe er über eine Irak-Invasion geredet. Staunen.

Der „andere Dreh“ (so nennt es Bush) zahlt sich aus. Schröder gewinnt die Wahl, bleibt sowohl Kanzler als auch beim Nein zum Irak-Krieg. Am 21. Januar 2003 macht er das in einer Rede in Goslar unmissverständlich klar. Er fühlt sich bestätigt. Sein Büro teilt uns mit, die Begründungen der Bush-Regierung „basierten, wie wir heute wissen, auf Lügen.“

Und Bush? Hatte er einen „Deal“ mit Schröder? Gegenüber einem Botschafter klagt er, „that guy has been cheating on me“. Auf Deutsch: Der Kerl hat mich reingelegt. In seinen Memoiren schreibt Bush, Schröder sei „einer der am schwierigsten zu durchschauenden Staatsmänner gewesen“. Das lässt Schröder so stehen. Nur die Pinocchio-Frage bleibt ungeklärt: Wer lügt? Bei wem wächst die Nase?