Düsseldorf. .
Auf die Pharmaindustrie konnte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler bislang nur wenig Druck ausüben. Dafür droht er nun den Krankenkassen Geldstrafen an, falls sie den Start der elektronischen Gesundheitskarte weiter verzögerten.
Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) droht den Krankenkassen Geldstrafen an, falls sie nicht schnell die elektronische Gesundheitskarte einführen. Die Kassen an Rhein und Ruhr halten das für unverschämt. Die Karte würde den Versicherten vorerst gar nichts nützen. Wilfried Jacobs (Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg) findet es „abenteuerlich”, Druck auf die Versicherer auszuüben, solange noch nicht einmal feststehe, was diese Karten leisten sollen. Die Einführung stelle die Kassen vor erhebliche Probleme, und in den wenigsten Praxen stünden die Lesegeräte. Auch die AOK Nordwest und die DAK in NRW wehren sich gegen die Drohgebärden aus Berlin.
Geld oder Gesundheitskarte - Philipp Rösler (FDP) setzt die Krankenkassen unter Druck. Wenn sie nicht bis Ende 2011 zehn Prozent ihrer Versicherten mit der neuen, elektronischen Karte ausstatten, bekommen sie weniger Mittel für ihre Verwaltungen.
Lesegeräte bislang selten in Arztpraxen
Der Minister schießt also aus der Hüfte, und die Kassen lassen sich das nicht gefallen. „Wer braucht eine neue Karte, die sich zunächst nur unwesentlich von der normalen Krankenversichertenkarte unterscheiden würde?”, fragt Wilfried Jacobs, Chef der drei Millionen Mitglieder starken AOK Rheinland/Hamburg. „Auf der neuen Karte wäre ein Foto zu sehen, und ein Arzt könnte online überprüfen, ob der Patient tatsächlich versichert ist. Mehr Vorteile gibt es aber nicht”, so Jacobs gegenüber DerWesten. Außerdem seien Lesegeräte bisher extrem rar in den Arztpraxen.
Eine Ausnahme bildet das Rheinland. Weil der Bezirk Nordrhein Testregion für die Gesundheitskarte ist, gibt es in den meisten Praxen und Kliniken dort schon die Lesegeräte. Eine Sprecherin der Ärztekammer Nordrhein sagte am Mittwoch, dass die Gesundheitskarte voraussichtlich ab dem zweiten Quartal 2011 auch in Westfalen-Lippe, Niedersachsen, Bremen und Hamburg getestet werden soll.
Angaben freiwillig
Die AOK Nordwest (2,8 Millionen Versicherte), wehrt sich ebenfalls gegen die Drohgebärden aus Berlin. „Rösler will das Pferd von hinten aufzäumen. Was soll die neue Karte, wenn man mit ihr nicht mehr anfangen kann als mit der alten?”, schimpft AOK-Sprecher Karl-Josef Steden.
Ähnlich äußert sich die DAK in NRW: „Voraussetzung für die Karten-Ausgabe ist die flächendeckende Ausstattung der Praxen mit Lesegeräten. Die Androhung einseitiger Strafen ist für uns zum jetzigen Zeitpunkt unverständlich”, so DAK-Sprecher Rainer Lange.
Am Mittwoch kam aus dem Bundesgesundheitsministerium ein neuer Vorschlag für die Nutzung der Gesundheitskarte: Probeweise sollte auf ihr die Bereitschaft des Versicherten zur Organspende vermerkt werden. Diese Angabe wäre selbstverständlich freiwillig.