Berlin. .
Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) startet die Kampagne zum Welt-Aids-Tag: Auf Plakaten und im Internet geben Infizierte einen Einblick in ihr Leben mit dem Virus.
Als Markus vor elf Jahren die Diagnose HIV-positiv bekam, war das ein Schock für den damals 18-Jährigen. Trotzdem hat er nicht resigniert. Sondern schnell die Flucht nach vorne ergriffen und Familie, Freunde und Bekannte eingeweiht. Die Reaktionen? „Extrem war es vor allem bei meinen Freunden. Viele haben sich von mir abgewandt“, berichtet der 29-Jährige. Heute sei seine Infektion kein Thema mehr im Freundeskreis. Und Markus sagt: „Mir geht es gut. Meine verbliebenen und meine neuen Freunde haben mich stark gemacht und mir geholfen, mit der Infektion umzugehen.“
Markus ist eines der vier Gesichter, mit denen die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ab Dienstag auf Flyern Plakaten und in Videos bundesweit wirbt. Ziel der Kampagne unter dem Motto „Positiv zusammen leben – aber sicher!“ ist, die Stigmatisierung und Diskriminierung von HIV-Positiven in der Gesellschaft abzubauen. Neben der BZaG sind das Bundesgesundheitsministerium, die Deutsche Aids-Hilfe und die Deutsche Aids-Stiftung beteiligt.
„3000 Neuinfektionen sind immer noch 3000 zu viel“
„Eine solche Kampagne, bei der Betroffene einen authentischen Einblick in ihr Leben mit HIV geben, ist europaweit einmalig“, sagte Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) am Montag beim Kampagnenstart in Berlin. Zwar habe Deutschland mit jährlich 3000 Neuinfektionen die niedrigste Rate in Europa: „Aber 3000 Neuinfektionen sind immer noch 3000 zu viel.“
Mit den drei Themenschwerpunkten „HIV und Arbeit“, „HIV und Freundschaft“ sowie „Einschränkungen mit HIV“ will die Kampagne einen offenen gesellschaftlichen Umgang mit HIV und Aids forcieren. Und somit auch die Prävention stärken. Denn: „Wer Angst hat, stigmatisiert zu werden, geht auch nicht rechtzeitig zum Arzt und verpasst so wichtige Therapien“, sagte Rösler. So sei bei jedem vierten Getesteten die Immunschwächekrankheit Aids schon ausgebrochen.
Nicht mehr unmittelbar lebensbedrohlich
Dabei sind die Chancen, trotz einer HIV-Infektion ein weitgehend normales Leben zu führen in den letzten 25 Jahren stark gestiegen. HIV und Aids sind immer noch chronische, aber längst keine unmittelbar lebensbedrohlichen Krankheiten mehr. Zwei Drittel aller HIV-Infizierten in Deutschland arbeiten – doch ein Großteil bekennt sich aus Angst vor Ausgrenzung nicht zu seiner Infektion.
Dirk, Banker und seit sieben Jahren positiv, hat es getan. „Meine Kollegen haben super reagiert und ich habe mein Outing nie bereut.“ Inzwischen ist der 41-Jährige Betriebsrat in seinem Unternehmen geworden. Er sagt: „Wir HIV-Positiven können arbeiten - und wir wollen arbeiten.“ Deswegen wollen er und seine Mitstreiter für einen offenen Umgang werben: bei anderen Infizierten. Aber auch bei Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Gewerkschaften.
Mangelnde Aufklärung und Halbwissen
Ab Dienstag werden die Plakate mit den Kampagnen-Botschaftern bundesweit zu sehen sein. Ob es kein komisches Gefühl ist, dann auch an der Supermarktkasse als HIV-Positiver erkannt zu werden? „Bestimmt, aber dieses Schockerlebnis wird helfen, ins Gespräch zu kommen und bei Außenstehenden Hemmungen abzubauen“, glaubt Markus.
Denn viel zu oft sei es kein böser Wille, sondern mangelnde Aufklärung und Halbwissen, das HIV und Aids zur Barrikade werden lasse: „Manche Leute fragen mich immer noch, ob sie mich umarmen oder ein Glas mit mir teilen können.“ Seine Freunde haben jedenfalls gelernt, mit Markus’ Infektion umzugehen. „Und um die Freunde, die sich von mir abgewandt haben, ist es nicht schade. Denn auf solche Freunde kann ich verzichten.“