Recklinghausen.

Die CDU-Seniorenunion fordert in Recklinghausen Korrekturen am politischen Kurs der Partei bei Themen wie Familie, Integration und Bundeswehr. Reformer Guttenberg hat es da eher schwer.

Die christdemokratische Seniorenunion ist ein wichtiges Forum für die Parteispitze. Fast jeder zweite, der bei der Bundestagswahl 2009 sein Kreuz bei der Union machte, war über 60. Unter den 57 000 Mitgliedern dieser Parteiorganisation gibt es Unmut über den Kurs. Man fordert, wie der NRW-Chef der Organisation, Leonhard Kuckart, strengere Maßstäbe für die Integration von Mi­granten: „Wem es nicht gefällt, der kann wieder gehen.“ Man will „Redefreiheit für Sarrazin“ und dass „das C im Namen der Partei wieder Inhalt der Politik wird“. In der Mitgliedschaft sind die „Christdemokraten für das Leben“ vertreten, die vor Jahren mit ihrem Kampf gegen Abtreibungen Schlagzeilen gemacht haben.

Wer also konservatives Klientel sucht, findet es hier. Wer es überzeugen will, muss hier auftreten. Karl-Theodor zu Guttenberg und Angela Merkel sind deshalb in Recklinghausen im Festspielhaus dabei. Hier tagt derzeit der Bundeskongress der CDU-Senioren, der eine „Recklinghauser Erklärung“ mit konservativen Akzenten verabschieden will. Verteidigungsminister und Kanzlerin wollen drei Wochen vor dem Karlsruher Bundesparteitag an der Parteibasis den Kompass richten. Guttenberg tat es gestern. Merkel wird es, weil das Flugzeug in Berlin nicht starten konnte, erst heute machen.

Die Wehrpflicht - Mantra der Traditionalisten

Der aktuelle Job des Verteidigungsministers ist die Verteidigung seiner Bundeswehrreform und die drastischen Korrekturen an der Wehrpflicht. Auch die Wehrpflicht ist so ein Mantra der Traditionellen. Die geplante zeitweise Aussetzung des Zwangsdienstes fällt der „Partei der Bundeswehr“ schwer. Es gibt Opposition. Der Minister brauchte einige Zeit, um seinen eigenen Vorsitzenden, den CSU-Chef Horst Seehofer, ins Boot zu bekommen. Von einer „sperrigen und mühseligen Debatte“ redet zu Guttenberg, die aber nötig sei: „Das Fundament der Bundeswehr droht uns sonst unter den Füßen wegzubrechen.“

In Recklinghausen hat er ein drastisches Bild vom Zustand der Streitkräfte gezeichnet. „An allen Ecken und Enden“ knirsche es. Manche Strukturen seien „erbärmlich“. Die Ausrüstung sei überaltert. Jeder junge Mann könne heute diesen Dienst vermeiden: „Sie müssen nicht mal mehr Zahnpasta fressen, um nicht genommen zu werden.“ An der Reduzierung der Stärke von 252 000 auf 163 000 Köpfe komme niemand vorbei, sonst werde es das Verfassungsgericht sein, das die Abschaffung der Wehrpflicht anordne. „Das wollen wir nicht.“ Die Union habe sich diesen „Realitäten“ zu stellen. Guttenberg ist mit dem Eindruck nach Berlin zurückgereist, dass er überzeugt hat.

Guttenberg hat seine Fans eher bei der Jungen Union

Dennoch: Der 40-Jährige ist sicher kein Mann der Senioren in der CDU. Er hat seine Fans eher unter den Mitgliedern der Jungen Union. Die hat, den Älteren freundschaftlich verbunden, den Videospot geliefert, mit dem Guttenberg in Recklinghausen willkommen geheißen wurde. In der Urfassung des Streifens wurde der Verteidigungsminister als der „populärste Politiker Deutschlands“ gefeiert. Den Satz hat die Seniorenunion gekürzt. Man wollte ihn, vor allem nach den wilden Berliner Spekulationen über eine mögliche eigene Kanzlerkandidatur des Ministers, Angela Merkel nicht zumuten. Aber in dieser Sache zog auch der Gast selbst einen dicken Strich: „Die Menschen erwarten, dass wir unserer Arbeit nachgehen und uns nicht in idiotischen Personaldebatten befinden.“