Essen. Der sächsische Landtagsabgeordnete Ronald Weckesser ist aus der Linkspartei ausgetreten - im Interview mit der WAZ erklärt er, warum er denkt, dass seine frühere Partei eine fatale Entwicklung genommen hat.
Sie sind bei den Linken ausgetreten, weil die Partei, wie Sie sagen, unrealistische Versprechungen macht und immer radikaler wird. War das vor der Fusion der PDS mit den West-Linken anders?
Ronald Weckesser: Ja. Die PDS hat eine eigene Geschichte als Verteidiger der so genannten Wendeverlierer. Um deren Integration haben wir uns bemüht, und das haben wir auch gut gemacht. Dieses Kümmerer-Image, die Tatsache, dass wir Politik für die Menschen gemacht haben, hat unsere starke Position im Osten begründet. Es ging auch um Rehabilitation, um Wiedergutmachung dessen, was die SED falsch gemacht hat.
Und die West-Linke?
Die kommt mit völlig anderen Traditionen, die aber mehr und mehr die Gesamtpartei überlagern. Die Radikalen bei den West-Linken kriegen jetzt eine Basis, die sie in der alten Bundesrepublik nie hatten. DKP und andere linke Splittergruppen konnten sich auf die Marktplätze stellen, aber sie blieben bei Wahlen im Promille-, bestenfalls im unteren Prozentbereich. Jetzt wittern die im Schlepptau der PDS ihre Chance. Das ist für uns nicht gut.
Warum nicht?
Weil es denen nicht darum geht, konkret etwas umzusetzen, kooperationsfähig zu sein, pragmatische Politik auch in Zusammenarbeit mit anderen Parteien zu machen. Vielen geht es sogar nur um Versorgungsposten, Mandate und Mitarbeiterstellen in Parlamenten. Das Schlimme ist: Ihr Verbalradikalismus wirkt auch attraktiv auf Jüngere hier bei uns im Osten, die die DDR nicht mehr erlebt haben. Die meinen jetzt auch, wir sollten alles wieder über Bord werfen, was vor und nach 1989 an Lernprozessen erreicht wurde. Wir haben die DDR scheitern sehen und wir müssen uns fragen, warum dies geschah, statt einfach nur zu versuchen, das Rad zurückzudrehen.
Sie klagen über Lafontaine...
...für mich ist das ein rachsüchtiger Egomane.
....aber er stellt zweifellos, eine politische Distanz zur SPD her. Wie würden Sie denn dieses Problem lösen? Die Linke muss sich doch von der SPD unterscheiden.
Wozu? Es kommt nicht darauf an, linker zu sein als die SPD, sondern verantwortungsbewusst Politik zu machen. Fernstrategie kann ohnehin nur sein, dass die zwei Parteien zueinander finden. Das ist ganz unmöglich, solange die Linke immer nur versucht, die SPD mit populistischen, unbezahlbaren Forderungen vorzuführen.
Können Sie dafür mal ein Beispiel nennen?
Wir sind für einen Mindestlohn von 7,50 Euro eingetreten, das fand ich richtig. Die SPD hat dann nachgezogen, prompt ging die Linke auf 8,50 Euro und ist inzwischen bei 10 Euro angelangt – einfach nur, um die SPD vor sich her zu treiben. Das hat nichts mit Verantwortung zu tun.
Der Vorwurf an Sie lautet: Das ist kein Linker mehr. Wie gehen Sie damit um?
Indem ich es zurückweise. Als Linker muss man sich um die Schwachen kümmern, die Starken helfen sich selbst. Dafür stehe ich weiter. Ich will aber, dass die Linke in der Öffentlichkeit mit einer Politik verbunden wird, die funktioniert, und nicht nur mit irgendwelchen Mätzchen. Das genau scheint mir derzeit nicht mehr möglich, daraus habe ich die Konsequenzen gezogen.
Interview: Frank Stenglein