Berlin. .
Sie war schon mal ersprießlicher, die Stimmung im Karl-Liebknecht-Haus. Heute herrscht auf den Fluren der Parteizentrale Verunsicherung. Die Linke kann nicht profitieren von den Protesten gegen Atomlaufzeiten und Stuttgart 21.
Euphorische Wirtschaftswachstums-Prognosen und so manche sozialpolitische FDP-Verrenkung, etwa bei Hartz IV, haben die Anziehungskraft des linken Leib- und Magen-Themas „soziale Spaltung/neoliberale Verwüstungen“ arg gedämpft. Und von den Auswirkungen eines rebellierenden Bürgertums (Stuttgart 21) oder dem Anti-Atom-Protest profitieren allein die grünen Umfragen-Weltmeister. Von der Linkspartei, sagt einer ihrer Oberen im vertraulichen Gespräch, „spricht kaum ein Mensch“.
Es sei denn, sie spricht über sich selbst. Was Gregor Gysi, der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, just ausgiebig tat. „Wir sind seit der Bundestagswahl in Selbstbeschäftigung und Passivität verfallen“, sagte der Anwalt in einem Interview. Seither ist er bei den Linken nicht mehr jedermanns Liebling. Seine Kritik zielte ausgerechnet auf jene neue Doppelspitze, die Gysi im Frühjahr selbst aus der Taufe zwang; nach dem Partei-Übervater Oskar Lafontaine Richtung Saarland abtrat.
Kampf um alte Tabus
Seit Lafontaines Abgang gibt es keinen anerkannten Motor mehr, der die vielen lose verbundenen Politikangebote bündelt und nach außen vertritt. Stattdessen laufen führende Akteure in die Falle der „strömungspolitischen Selbstbeschäftigung“, wie es der Thüringer Linken-Fraktionschef Bodo Ramelow formuliert. Beispiel: Mit Blick auf den Kongress am 7. November in Hannover warb das gemäßigte „Forum demokratischer Sozialismus“ für die Korrektur lange gepflegter Tabus in der Außen- und Sicherheitspolitik. So dürften Kampfeinsätze der Bundeswehr auf Grundlage der UN-Charta nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen werden. Unverzüglich konterte die „Kommunistische Plattform“, dies sei ein „Frontalangriff“ auf die friedenspolitischen Prinzipien der Linken. Ähnlich verlaufen die Frontlinien bei der Frage, ob der Kapitalismus nun generell zu überwinden sei , oder nur kräftig reformiert gehört. Und wenn ja – wie? Ein Führungsstärke verratendes Wort von Lötzsch und Ernst blieb aus.
Attraktiv für zunehmend bindungslosere Wählerschichten, ist das nicht. Parteimitglieder beklagen, dass die Linke auf die eruptiven gesellschaftlichen Ausbrüche – siehe Stuttgart 21 und Anti-Atom – keine richtige Antwort habe. Politische Talente seien vorhanden, sagt Ramelow, nur die Führung in Fraktion wie Partei gebe nicht zur rechten Zeit die richtigen Impulse. Ramelow: „Wir brauchen zu lange.“