Essen/Gladbeck. .

Die Regierung wünscht sich mehr Lehrpersonal mit ausländischen Wurzeln. Arslan Yalcin ist ein Paradebeispiel.

„Wenn ich das geschafft habe, kannst du das auch schaffen“ – das ist die Botschaft des Gymnasiallehrers Arslan Yalcin aus Gladbeck. Lehrer mit Zuwanderungsgeschichte haben sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen.

Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen, hat es oft erzählt: „Wer will aufs Gymnasium?“ fragte der Lehrer in der Grundschule. Cem, das Kind türkischer Eltern, hob selbstbewusst den Finger. Da lachte der Lehrer nur. Das war’s.

Özdemir besuchte nie ein Gymnasium, musste das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachholen. Verlorene Zeit. „So geht es vielen Kindern aus Migranten-Familien, sie bleiben oft ein Fremdkörper an deutschen Schulen“, weiß Antonietta Zeoli.

Die 38-Jährige mit italienischen Wurzeln und Hochschulabschluss koordiniert seit zwei Jahren in Düsseldorf das erste Netzwerk von Lehrern, die selbst eine Zuwanderungsgeschichte haben. Bundeskanzlerin Angela Merkel regte angesichts der aktuellen Debatte an, dass dieser Pioniergeist bald in allen Bundesländern Schule machen soll.

Arslan Yalcin (33) ist ein Mann, der perfekt in die Vorstellung der Kanzlerin passen dürfte: Seine Familie stammt aus der Türkei, er ist gläubiger Muslim, leidenschaftlich gern Lehrer, spricht perfekt deutsch – und er ist fest verankert in der Gesellschaft. Wenn man ihn fragt, ob er sich inte­griert fühlt, lacht er. „Ich kann das Wort nicht mehr hören. Klar bin ich integriert. Deutschland ist schließlich meine Heimat.“

Vom Gastarbeiterkind zum Bildungsbürger

Eine typische Geschichte: Seine Eltern kamen als Gastarbeiter in den 70-er Jahren nach Essen, der Vater fand Arbeit bei Thyssen-Krupp. Arslan Yalcin wurde zwar hier geboren, aber mit drei Jahren zur Oma in die Türkei geschickt, „denn meine Eltern wollten bald nachkommen.“ Aber sie blieben und so kehrte der Sohn mit elf Jahren nach Essen zurück – ohne ein einziges Wort Deutsch zu sprechen.

„Aber ich hab’s gepackt.“ Die Sprache zu lernen, schließlich Abitur und Studium zu absolvieren. Heute ist er deutscher Staatsbürger, hat Familie, einen internationalen Freundeskreis und ist Lehrer am Heisenberg-Gymnasium in Gladbeck. Seine wichtigste Botschaft an die Schüler: „Wenn ich das geschafft habe, kannst du das auch schaffen.“

Was ihn an der Debatte stört: „Dass sie pauschal geführt wird.“ Klar würden Probleme bei der Integration bestehen, „aber nur konstruktive Vorschläge helfen.“ Was er darunter versteht, stemmt er in Eigeninitiative. Yalcin gründete ein Patenschaftsmodell: Ein erfolgreicher Schüler kümmert sich ein Jahr intensiv um einen schwächeren Schüler. Wer seine Defizite aufgeholt hat, kann selbst Pate werden. Yalcin bekam für die Idee den Integrationspreis der Bundesregierung.

Es wird zuviel ausgesiebt

Die Statistik belegt es. Für viele Jungen und Mädchen mit ausländischen Wurzeln läuft es nicht gut an deutschen Schulen: In Nordrhein-Westfalen stammen fast 40 Prozent aller Schulkinder aus Einwandererfamilien, in manchen Klassen beträgt ihr Anteil 80 Prozent. Aber nur acht Prozent gehen auf eine Universität, 20 Prozent verlassen die Schule ohne Abschluss.

Das NRW-Bildungsministerium startete vor zwei Jahren eine Initiative, die unter Mi­granten für den Lehrerberuf werben soll. Lehrer, die Vorbild sind. Lehrer, die verstehen, warum sich Kinder aus ausländischen Familien manchmal anders verhalten. Kommt Sergej, der aus Russland stammt, zu spät in die Schule, schaut er seine Lehrerin nicht an. „Der gesenkte Blick ist in seiner Kultur ein Zeichen von Respekt“, erklärt Antonietta Zeoli. Eine Lehrerin, die das nicht weiß, beklagt sich, dass Sergej sie „nicht mal anschaut“. Nährboden für Vorurteile.

„Hätten wir mehr Lehrer mit ausländischen Wurzeln, hätten mehr Kinder eine Chance auf eine erfolgreiche Schullaufbahn“, sagt Zeoli. Die Pädagogin hat als Lehrerin gearbeitet. Damals konnte sie muslimische Eltern überzeugen, ihre Töchter an Klassenfahrten teilnehmen zu lassen. Wenn es nötig war, ließ sie die Mädchen eben im eigenen Zimmer schlafen.