Flensburg. .

Die Staatsanwaltschaft Flensburg geht nach der Strafanzeige einer Mutter dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs in einer Kureinrichtung für Kinder auf Sylt nach. Die Vorwürfe werden derzeit geprüft.

Ein neuer Missbrauchsskandal unter Kindern sorgt in Norddeutschland für Schlagzeilen. Die Staatsanwaltschaft Flensburg ermittelt in einer Kinderklinik auf Sylt zu möglichen Missbrauchsfällen und Vergewaltigungen unter den Kindern. Eine Mutter habe vor einigen Wochen eine entsprechende Anzeige gestellt, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Ulrike Stahlmann-Liebelt, am Dienstag in Flensburg. Ihre Behörde habe ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) bestätigte unterdessen, dass es im Juli und August 2010 in einer Fachklinik für übergewichtige Kinder sexuelle Handlungen unter neun- bis zwölfjährigen Jungen gegeben habe.

Nach Angaben der Oberstaatsanwältin werden jetzt mögliche Betroffene angehört, um den Vorwurf zu prüfen und zu klären, was passiert ist. „Danach müssen wir schauen, ob es Verantwortlichkeiten gibt“, so Stahlmann-Liebelt. Die Staatsanwaltschaft ermittle „in alle Richtungen“, sagte die Sprecherin auf die Frage, ob eventuell eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorliege. Fest stehe allerdings, dass alle in Frage kommenden Kinder jünger als 14 Jahre und damit nach deutschem Recht nicht strafmündig seien. Ob weitere Anzeigen vorliegen, konnte die Sprecherin vorerst nicht sagen.

Kinder im Vier-Bett-Zimmer

DAK-Sprecher Frank Meiners teilte mit, die Krankenkasse habe nach Bekanntwerden der Vorfälle umgehend die betroffenen Eltern informiert sowie Polizei und Staatsanwaltschaft eingeschaltet. „Es hat in einer Gruppe mit 16 Kindern sexuelle Handlungen gegeben“, so Meiners. „Medienberichte über angebliche Vergewaltigungen weisen wir aber entschieden zurück.“

Die Vorfälle hätten sich in der sogenannten Ruhephase zwischen 21.00 und 21.30 Uhr ereignet, in der sich die Kinder in ihre Vier-Bett-Zimmer zurückziehen. In dieser Zeit hätten sich kleinere Gruppen verabredet und das sogenannte Flaschendrehen offenbar mit sexuellen Handlungen kombiniert.

Klinik bietet psychologische Betreuung an

Sofort nach Bekanntwerden des Vorfalls am 6. August seien die Anführer von der Gruppe getrennt und am nächsten Tag nach Hause geschickt worden. Eine Mutter habe ihr Kind abgeholt. Die betroffenen Jungen seien psychologisch betreut worden. Meiners wies Vorwürfe wegen mangelnder Aufsichtspflicht zurück. Die insgesamt 64 Jungen und Mädchen, die im Turnus von jeweils sechs Wochen eine Kur absolvierten, würden von mehr als 40 Fachkräften betreut, darunter Erzieher, Psychologen, Lehrer und Therapeuten.

Die Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes Schleswig-Holstein, Nina Becker, kritisierte, der sexuelle Missbrauch in Institutionen sei „lange Zeit tabuisiert und in seiner Bedeutung heruntergespielt“ worden. Becker warnte, auch in einer Kurzzeitgemeinschaft bilde sich eine soziale Hierarchie und Machtstruktur aus, die die Freiheit des Einzelnen beschränke. Einige Kinder beteiligten sich an den Aktivitäten nur deshalb, weil sie Angst vor Folgen hätten, wenn sie nein sagten. Ein Verdacht auf sexuellen Missbrauch in Institutionen dürfe in keinem Falle bagatellisiert werden.

Erst im Juli waren schwere sexuelle Übergriffe unter deutschen Kindern in einem Feriencamp auf der Nordseeinsel Ameland bekannt geworden. Im Jungen-Schlafsaal des Ferienlagers waren sechs bis acht 13-jährige Jungen mit Gegenständen, unter anderem Colaflaschen und Besenstielen, sexuell missbraucht worden. Bei den mutmaßlichen Tätern handelte es sich um Kinder und Jugendliche im Alter von 13 bis 16 Jahren. (dapd)