Berlin. .
Ein neues Integrationsprogramm empfiehlt, mehr Lehrer an die Schulen zu bringen. SPD und Grüne forderten in der Debatte um Versäumnisse der Zuwanderungspolitik unterdessen eine Ablösung der Integrationsbeauftragten Maria Böhmer (CDU).
Die Bundesregierung will mehr Lehrer mit Migrationshintergrund an die Schulen bringen. Das empfehle das „Bundesweite Integrationsprogramm“, das vom Kabinett am Mittwoch beschlossen werden soll, berichtete die Zeitung „Die Welt“ (Mittwochausgabe). SPD und Grüne forderten in der Debatte um Versäumnisse der Zuwanderungspolitik unterdessen eine Ablösung der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU).
Lehrer mit ausländischen Wurzeln würden die Vielfalt in der Schule bewusst machen und dazu beitragen, „Chancen aufzudecken, die in dieser Vielfalt liegen“, heißt es laut „Welt“ in dem Programm. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) will das 197 Seiten starke Programm des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge am Vormittag in Berlin vorstellen. Darin wird laut „Welt“ Bildung als Schlüssel zur Integration dargestellt. Gefordert werde in dem Bericht, die Sprachförderung im Deutschen möglichst früh zu beginnen. Das Programm ist keine direkte Reaktion auf die Thesen von Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin, sondern wurde schon lange vorbereitet.
Deutliche Ablehnung
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat Forderungen aus der Union zurückgewiesen, arbeitslosen Zuwanderern die Unterstützung zu kürzen, wenn sie ihre Kinder nicht in die Kindertagesstätte schicken. „Ich halte wenig davon, das Erziehungsthema zu koppeln mit Kürzungen für den Lebensunterhalt. Die Ersten, die das bitter ausbaden müssen, sind die Kinder“, sagte sie dem „Hamburger Abendblatt“. Wenn Anzeichen für Verwahrlosungen da seien, müsse das Jugendamt einschreiten, „unabhängig ob Migrationshintergrund oder nicht“. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfaktion, Michael Fuchs (CDU), hatte als Sanktion eine Kürzung von „Hartz IV“ gefordert.
Von der Leyen sprach sich dafür aus, den Schwerpunkt der Integrationspolitik auf frühkindliche Bildung zu legen. „Die Kenntnis der deutschen Sprache und Freundschaften mit deutschen Kindern im dritten oder vierten Lebensjahr sind die Grundlage für erfolgreiche Integration“, betonte sie. Die entscheidende Frage sei, ob alle Kinder die Chance auf frühe Bildung hätten. Ihr missfalle sehr, „dass sich die wichtige Integrationsdebatte so auf den ethnischen Hintergrund fokussiert“, kritisierte von der Leyen.
Mit Blick auf die umstrittenen Thesen des Bundesbankvorstands Thilo Sarrazin sagte die Ministerin: „Ich mag die Pauschalität solcher Aussagen nicht.“ Sie betonte, Menschen mit Migrationshintergrund könnten „sehr erfolgreich“ sein.
Integrationsgipfel im Herbst
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) kündigte an, die Bundesregierung wolle noch im Herbst auf einem weiteren Integrationsgipfel über notwendige Konsequenzen im Bereich Migration beraten. „Wir brauchen beim Thema Integration immer wieder eine genaue Bestandsaufnahme“, sagte der Vize-Kanzler der „Passauer Neuen Presse“. Die Politik müsse „diese Probleme konsequent anpacken“ und „eine ernsthafte Diskussion“ über das Thema Integration führen.
Die Opposition forderte die Regierung auf, die Integrationsbeauftragte Böhmer zu ersetzen. Sei sei in ihrem Amt „eine krasse Fehlbesetzung“, sagte der SPD-Rechts- und Innenexperte Sebastian Edathy der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der innenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Dieter Wiefelspütz, nannte Böhmer in dem Blatt „eine Frühstückdirektorin, mit der sich keine handfeste Integrationspolitik verbindet“. Auch für den integrationspolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, Memet Kilic, ist Böhmer „nicht die Richtige, um die anstehenden Herausforderungen in der Integrationspolitik zu meistern“. Sie mache öffentlich große Ankündigungen, habe aber nichts bewegt.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) verwies darauf, dass Deutschland eine deutlich offensivere Einwanderungspolitik brauche. Angesichts der Überalterung der Gesellschaft benötige Deutschland „dringend Arbeitskräfte und Zuwanderer aus dem Ausland“, sagte DIW-Präsident Klaus Zimmermann dem „Hamburger Abendblatt“. Nötig seien „mindestens netto 500.000 mehr Menschen pro Jahr, um unsere Wirtschaftskraft dauerhaft zu sichern“. Ohne Zuwanderung werde der Wohlstand sinken und die Lebensarbeitszeit müsse in Deutschland auf rund 70 Jahre verlängert werden.
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) äußerte sich ähnlich. Er bezeichnete in der „Berliner Zeitung“ Zuwanderung als Möglichkeit, dem Bevölkerungsschwund in Deutschland entgegenzuwirken. Die Einwanderung müsse forciert werden, „wenn wir die Leistungsfähigkeit Deutschlands erhalten wollen“. (afp/dapd)