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Seit nunmehr 20 Jahren gibt das Politische Forum Ruhr bei seinen regelmäßigen Abendkongressen wichtige Denkanstöße in der Metropol-Region. Die Festveranstaltung zum Jubiläum trägt folgerichtig die Überschrift „Gesellschaft im Dialog – Grundlage für den Wandel“.

Als Stephan Holthoff-Pförtner das „Politische Forum Ruhr“ ins Leben rief, bewegte er sich in einem exklusiven Zirkel. Gerade einmal zwölf Zuhörer konnte der Vorsitzende bei der ersten Veranstaltung in einem Essener Restaurant begrüßen. 20 Jahre später hat die Diskussionsveranstaltung nichts von ihrer Exklusivität eingebüßt, allerdings füllt sie inzwischen regelmäßig die rund 2000 Gäste fassende Essener Philharmonie. Beim Jubiläumskongress am Dienstagabend war das Interesse so groß, dass per Leinwand gar in einen Nebensaal übertragen werden musste. Schließlich trafen so unterschiedliche Diskutanten wie Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis (IGBCE) und WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach aufeinander. Im Publikum saßen zudem viele Prominente wie Kanzleramts-Chef Ronald Pofalla. Man verstehe sich als „Begegnungsstätte für unterschiedliche Denkansätze“, erklärte Holthoff-Pförtner.

Zum Jubiläum nahm sich das „Politische Forum Ruhr“ ein besonders facettenreiches Thema vor: den Dialog in der Gesellschaft als Grundlage von Gestaltung. Holthoff-Pförtner fragte in Anlehnung an den Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer: „Was hält die Gesellschaft zusammen? Was treibt die Gesellschaft auseinander?“

Rüttgers will internationale Stars experimentieren lassen

Rüttgers nutzte die Gelegenheit, um seine Idee einer zweiten Internationalen Bauausstellung „Emschertal 2020“ prominent zu platzieren. Anders als in den neunziger Jahren, in denen die IBA alte Industriekathedralen vor dem Abriss rettete und neu nutzte, soll es diesmal um eine „Zukunftswerkstatt“ für Entwicklungsflächen links und rechts der renaturierten Emscher gehen. Rüttgers will internationale Stars mit neuen Wohnformen sowie Integrations- und Umweltprojekten im Ruhrgebiet experimentieren lassen. Das Land wird die „IBA II“ mit 200 Millionen Euro zusätzlich anschieben.

Ruhrbischof Overbeck machte sich Gedanken über die Kirche im gesellschaftlichen Dialog und gab unumwunden zu, dass sie angesichts der jüngsten Missbrauchsskandale „neu mit Glaubwürdigkeitsverlust umgehen lernen“ müsse. Neue Glaubwürdigkeit erwachse durch Demut vor der Wahrheit und einer an Gemeinwohl und Solidarität orientierten Vernunft.

„Steht wertorientiertes Handeln im Widerspruch zu wirtschaftlichen Erfolg?“ Das sei die zentrale Frage des gesellschaftlichen Dialogs, befand Gewerkschaftschef Vassiliadis. Die Selbstbesinnung während der Wirtschaftskrise dürfe sich nicht darin erschöpfen, mit dem moralischen Zeigefinger auf bestimmte Berufsgruppen zu zeigen. Auch in der Politik sei „allzu leichtfertig mit Grundsätzen und Werten gespielt“ worden, was er wohl auf die weit verbreitete marktliberale Geisteshaltung in den Jahren vor Ausbruch der Krise münzte.

Eine neue Dialogfähigkeit der Parteien untereinander, aber auch eine veränderte Gesprächskultur zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, forderte WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach. Der frühere Kanzleramtsminister spießte die Negativ-Reflexe der „Malefiz-Gesellschaft“ auf. Selbstironisch nannte er das einst von ihm verfasste „Schröder-Blair-Papier“ aus den neunziger Jahren „das am wenigsten gelesene und am meisten kritisierte Konzept“. Hombach prophezeite: „Wir Weltmeister der Untergangsstimmung können uns durch Dialog aus der einengenden Selbstbezogenheit befreien.“


Bei NRW.TV wird die Aufzeichnung des Politischen Forums Ruhr am kommenden Donnerstag, 15. April, von 22 bis 23.30 Uhr ausgestrahlt.